Gaumenfreuden und Fleischwunden in der Kunsthalle Wien

Kultur

Der italienische (Film-)Künstler Diego Marcon zeigt in einer Einzelausstellung seinen grausam-komischen Film „La Gola“

Während sich immer mehr Menschen zum Filmschauen auf ihre Couch zurückziehen, beschwört Diego Marcon das Kino im Museum. In der Kunsthalle Wien wird der italienische (Film-)Künstler nun erstmals auch in Österreich in einer Einzelausstellung präsentiert (bis 2. 2. 2025).

Im Film- und Kunstbereich erfolgreich

Tatsächlich reüssieren die Arbeiten des 1985 in der Lombardei geborenen Künstlers im internationalen Kunstbetrieb ebenso wie auf Filmfestivals. Es ist das Vokabular des Kinos, für das sich Marcon in seinen oft sinistren Kurzfilmen interessiert. Dabei rekombiniert er nicht nur die narrativen Elemente von Filmgenres wie Melodram oder Horror, sondern verbindet sie zudem mit Spezialeffekten wie Computeranimation und Robotik.

Völlerei

Für seinen neuen, exquisiten Film „La Gola“ – lose übersetzbar als „Bauch“ oder „Völlerei“ – verwandelte Diego Marcon das Erdgeschoß der Kunsthalle in einen eigenen Schauraum. Hinter einem schweren, roten Samtvorhang verbirgt sich ein maßgeschneidertes Auditorium, das Marcon rund um „La Gola“ aufgebaut und ebenfalls mit Samt ausgeschlagen hat.

Kunsthalle Wien/Iris Ranzinger

„La Gola“ setzt ein mit dem roten Schriftzug „Ouvertüre“, frenetisch untermalt mit einer Originalkomposition von Federico Chiari. Die barock anmutende Orgelmusik lässt den Raum zu einer Kombination aus Kirche, Kino und Theater verschmelzen und macht ihn zu einem Ort erhabener Andacht. Ein Briefwechsel zwischen einem Mann und einer Frau strukturiert „La Gola“: Die beiden „Hauptdarsteller“ Gianni und Rossana werden allerdings nicht von Schauspielern, sondern von hyperrealistischen, reglosen Puppen verkörpert; einzig deren Augen wurden digital „belebt“, während der Rest ausdruckslos bleibt.

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Diego MarconKrankheit und Kulinarik

Es beginnt mit einem Brief des rothaarigen Gianni, dessen sichtlich gut gelauntes Gesicht in heller Großaufnahme erscheint, während er aus dem Off begeistert von der Menüabfolge eines Festbanketts berichtet. Rossana wiederum entgegnet mit detaillierten Schilderungen des Todeskampfes ihrer siechen Mutter.

Während Gianni von den Gaumenfreuden zarter Rehrücken schwärmt, kontert Rossana mit Beschreibungen von Eiterbeulen und Fleischwunden. Köstliches Risotto trifft auf stinkende Blähungen, delikate Nachspeisen auf ekelerregendenden Stuhlgang. Giannis Gesicht bleibt sonnig, während sich das ihre vor nachtschwarzem Hintergrund abhebt und durch Blitze zur Fratze verzerrt. Hier die Küche, dort die Krankheit, hier die Kulinarik, dort Verwesung und Tod.

Das unheimliche Tal

Zwar bewegen sich die Augen in den leblosen Gesichtern, sie weinen sogar Tränen, bleiben aber trotzdem seltsam tot: Das „uncanny valley“ – die unheimliche Kluft zwischen einem menschlichen Wesen und seiner (fast) perfekten Replikation – will sich nicht schließen und erzeugt einen komischen wie auch horriblen Effekt.

Beide Figuren, an der Oberfläche dialogisch verbunden, reden aneinander vorbei. Die Wärme ihres Gesprächs bleibt synthetisch, ihre vorgebliche Anteilnahme empathielos. Es entsteht ein Horror Vacui, bei dem die Zuschauer selbst entscheiden müssen, wie sie es füllen wollen: mit Grauen oder Gelächter.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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