Graz: Die Liebe kann umhauen, wenn der Boden rutschig ist

Kultur

Schauspielhaus Graz: Lessings Lustspiel „Minna von Barnhelm“ – fulminant leicht und liebevoll inszeniert von Ulrike Arnold

Die liebste Minna fängt ihren Major von Tellheim neckisch mit dem Luftlasso ein, doch der bockige, sich in Selbstmitleid suhlende Offizier, Invalide und in Unehren entlassen, schüttelt das Seil ab.

Franziska, eher allerbeste Freundin denn Bedienstete, beginnt trotzdem, das Hochzeitskleid mit Übereifer und viel Dampf in Form zu bringen – in einer wunderbaren Slapstick-Nummer. Denn das Happy End ist unausweichlich: Wir sind ja, wie Minna festgestellt hat, in einer Komödie. Aber es wird noch lange dauern, bis sich die beiden Königskinder auf Augenhöhe finden können.

Gotthold Ephraim Lessing strapaziert die Nerven – auch jene des mitfiebernden Publikums im Grazer Schauspielhaus. Wie bei einer Symphonie, die immer wieder neu zum Schlussakkord anhebt. Und so muss mehrfach das riesige Happy-End-Herz, das sich trippelnd in die Szenerie drängt, weggeschubst werden. Aber dann, nach zweieinviertel, pausenlosen Stunden: Seufzer der Erleichterung. Minna und Tellheim kriegen sich.

In seinem Lustspiel „Minna von Barnhelm“ aus 1767 lässt Lessing die Verlobten, lange Zeit durch die Wirren des Siebenjährigen Kriegs getrennt, aufeinanderprallen – in einem Wirtshaus. Franziska Bornkamm hat es als Motel One gestaltet. Und sie hat Anleihen bei ihrem Kollegen Raimund Orfeo Voigt genommen, der 2018 für Arthur Schnitzlers „Der einsame Weg“ im Josefstädter Theater das Prinzip des Umlaufaufzugs in der Horizontalen umsetzte. 

Guckkasten reiht sich äußerst reizvoll an Guckkasten, und mit der Zeit hat man alle Schauplätze des Hotels erobert: die Suite, aus dem der mittellose Major zugunsten des vermögenden Fräuleins ausquartiert wurde; das schäbige Zimmer mit dem Notbett; der Frühstücksraum samt Fernseher, in dem die Nachrichten („Wiederaufbau“) laufen. Weiters Lobby, Waschküche, Kraftkammer, der Gang mit den Türen und das Stiegenhaus mit dem Lift.

  Große Stadionshow: Robbie Williams gibt 2025 Konzert in Wien

Aus heiterem Himmel

Hier kommt es zu ungeahnten Begegnungen. Franziska und Paul Werner, der Wachtmeister Tellheims, verlieben sich Knall auf Fall: Sie stürzen sich geradezu in eine Schmuserei. Und da kann es eine oder einen schon umhauen, wenn der Boden grade frisch gewischt wurde.

Ulrike Arnold hat das Lustspiel erfrischend leicht inszeniert: mit Strichen, ein paar Bezügen zur Gegenwart, aber ohne Dekonstruktion oder Kontextualisierung. Denn unter all diesen Gästen im Hotel gibt es niemanden, der nicht herzensgut wäre. Da braucht man mit dem Hinterfragen gar nicht erst anfangen.

Lex Karelly

Wurde mit ihrem „Mädchen“ (Sarah Sophia Meyer) in Tellheims Zimmer einquartiert: Anke Stedingk als Minna von Barnhelm (l.)

Es gibt auch keine Cross-Gender-Besetzung, bloß heterosexuelles Begehren. Daher wurde aus dem Wirt eine ruppige, ungemein neugierige Hotelangestellte (Annette Holzmann), mit der man sich am besten nicht anlegt: Sie verfolgt Just (Thomas Kramer), den treuen Diener Tellheims, gar in seine sexuellen Albträume. Aus den beiden wird sicher nichts.

Bei Paul Werner (Simon Kirsch) und Franziska ist alles möglich: Sarah Sophia Meyer kommentiert mit ihrem heiteren Mimenspiel das Geschehen – und stiehlt der himmelhoch jauchzenden Minna (Anke Stedingk) und dem zu Tode betrübten Tellheim (Sebastian Schindegger) fast die Show. Riesiger Jubel, total verdient.

…read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

(Visited 1 times, 1 visits today)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.