Wien-Premiere von „Wir haben versagt“ im Theater am Werk hinterfragt rechte Erfolge. Ein nachdenklicher Abend mit Musik und wenig Hoffnung.
Die Lederjacke, mit der Benjamin Vanyek aufgebracht über die Bühne geht, lässt gleich zu Beginn des Stücks keinen Zweifel offen: Die Stimmung ist schlecht. Denn das Smiley, das punkig auf die Rückseite der Jacke gesprayt wurde, hat die Mundwinkel nach unten gezogen. Und – so viel sei verraten – die Laune wird in den kommenden eineinhalb Stunden nicht besser. Das liegt vor allem an den Themen, die das Aktionstheater im Jubiläumsstück (35 Jahre Aktionstheater) „Wir haben versagt“ im Theater am Werk verhandelt – Stichwort: Rechtsruck.
Bei der Wien-Premiere am Sonntag (die Uraufführung war bereits am 3. Dezember 2024 in Bregenz) wurde daher wenig gelacht, dafür mehr gerätselt: Was hat Österreich bloß so ruiniert? Wie konnte zu so einem brutalen Rechtsruck in diesem Land kommen? Und was soll unter einen Volkskanzler Kickl besser werden?
Stefan Hauer
70 Minuten lang wird vor einer Videowand und dem Einsatz von Schaumkanonen räsoniert, warum es so weit gekommen ist, wie es gekommen ist. Moni (Monica Anna Cammerlander) ist ratlos, ihr fehlen die Worte bzw. sagt sie erst einmal gar nichts mehr. Genauer gesagt: Sie spricht nur noch in Gebärdensprache mit anderen. Neben ihr steht Thomas (Thomas Kolle) splitternackt, greift sich immer wieder auf seinen Penis (weil das die Leute angeblich so super finden) und übersetzt Monis Handbewegungen dem Publikum.
Selbstanklage
Der Titel des Abends lautet „Wir haben versagt“ – das ist selbstkritisch gemeint. Das Problem ist nämlich folgendes: „Seit Jahrzehnten kämpfen wir mühsamst und mit großen Schmerzen gegen den – nun ultimativen – Rechtsruck an. In unzähligen Performances haben wir versucht, dem fortschreitenden politischen und moralischen Verfall in Österreich und eigentlich überall wenigstens den Hauch einer Analyse abzuringen. Wortreich fragen wir uns, wie es soweit kommen konnte und finden keine Antwort“, schreibt das Aktionstheater auf ihrer Homepage.
Das über die Jahre immer wieder wechselnde Ensemble, das unter einer Konstante, nämlich der Regie von Martin Gruber agiert, macht seit 35 Jahren kritisches, hellwaches, gescheites, gesellschaftskritisches und linkes Theater – und was hat es gebracht? Die FPÖ an der Spitze der vergangenen Nationalratswahl.
Wahlkabine
Vor dieser Wahl war sich Benjamin Vanyek auch unsicher, was er wählen soll. Er habe dann online die Wahlkabine gemacht, was gar nicht so einfach war. „Da waren so Fragen wie: ,Soll eine Kindergrundsicherung eingeführt werden?`. Da musste ich zuerst mal nachschauen, was das genau bedeutet. Also sollen die Kinder mehr Geld bekommen? Nein, warum. Ich habe ja keine Kinder. Oder eine andere Frage: ,Sollen Lehrlinge ab dem ersten Lehrjahr mindestens 1.000 Euro verdienen?` Nein. Ich habe damals in meiner Lehre auch keine 1.000 Euro verdient. Das sehe ich nicht ein.“ Wer so denkt, denkt wie das FPÖ-Parteiprogramm. Denn am Ende seines Tests kommt – eh klar – die FPÖ heraus. Mit 80 Prozent. Mit weitem Abstand. „Ich habe mir immer gedacht, dass ich so ein Roter bin. Ich bin ja ein Wiener. Ich war davon überzeugt, das ist meine Partei. Dann habe ich es noch einmal gemacht. Dann kam wieder die …read more
Source:: Kurier.at – Kultur