Der unvergleichliche Talkshow-Gastgeber, Subkultur-Aktivist, Schauspieler und Kolumnist ist tot. Aus seinem Scheitern am Leben hat er eine Kunst gemacht
Die meisten kennen Hermes Phettberg als Moderator der „Nette Leit Show“, die vor 30 Jahren im ORF lief. Es war die subversive Antwort auf das damals populär gewordene Konzept „Late Night Show“; das Getränkeangebot („Frucade oder Eierlikör?“) war ebenso ungewöhnlich wie die Showband („Brüder Poulard“) und das für die Gäste obligatorische Dosenschießen.
Es gibt keine Hölle
Das mit Abstand Ungewöhnlichste an der „Nette Leit Show“ aber war ihr Host: ein stark übergewichtiger, offen schwuler Mann, der ausschweifende, geistreiche Monologe hielt und den Gästen nicht die üblichen Talkshowfragen stellte.
Den Fernsehpfarrer August Paterno versuchte Phettberg davon zu überzeugen, dass es keine Hölle gibt, mit dem Pathologen Hans Bankl sprach er über die Farbe von Körperfett („an und für sich gelb“), und den – am selben Tag wie Phettberg verstorbenen – Fußballtrainer Didi Constantini verwickelte er in ein Gespräch zum heute noch tabuisierten Thema Homosexualität im Fußball.
Die „Nette Leit Show“ wurde vom Regisseur Kurt Palm konzipiert und war eine Produktion der Theatergruppe Sparverein Die Unzertrennlichen, wo Phettberg als Schauspieler wirkte. Die ersten Folgen gingen noch ohne TV-Kameras über die Bühne; aber bald war die Show so erfolgreich, dass der ORF einstieg, insgesamt wurden 19 Folgen gesendet. Für kurze Zeit war Phettberg damals ein (Anti-)Star – und entwickelte umgehend Starallüren. Irgendwann verlor Palm die Lust an den Streitereien mit seinem kapriziösen Moderator, und die „Nette Leit Show“ war Geschichte. Alle Versuche, ein taugliches Nachfolgeformat zu finden („Beichtphater Phettberg“, ATV), scheiterten.
ORF
Regisseur Kurt Palm (rechts) war Erfinder der „Nette Leit Show“. Jahre später drehte er den Dokumentarfilm „Hermes Phettberg, Elender“
Geboren wurde Hermes Phettberg 1952 als Josef Fenz, er wuchs als Sohn von Weinbauern in der Gemeinde Unternalb bei Retz auf. Er trat zweimal der ÖVP bei (und zweimal wieder aus). Er ging nach Wien, wo er sich als Bankbeamter bei der Raika, als Pastoralassistent und als Kanzlist bei der nö. Landesregierung versuchte, ehe er 1990 frühpensioniert wurde.
Den Namen Hermes Phettberg verwendete er erstmals 1989. Damals begann er, sich in der sadomasochistischen Subkultur Wiens zu engagieren, gründete obskure Zeitschriften und bombardierte die Redaktionen mit Leserbriefen. Im Falter führte das 1992 schließlich zu der Kolumne „Phettbergs Predigtdienst“, die er – wie auch seine Kolumne im Augustin – bis zuletzt geschrieben hat.
Vor allem anfangs orientierte sich der „Predigtdienst“ am Kirchenjahr und den jeweils dazu passenden Bibelstellen; hier kam dem Autor das theologische Wissen aus der Ausbildung zum Pastoralassistenten zugute. Aber obwohl er sich den Namen des griechischen Götterboten zugelegt hatte, machte er sich für keinen Gott zum Sprachrohr. Eher für Menschen, die er schätzte. Und vor allem sprach er für sich selbst.
„Jede Krücke kann zum Zepter werden“, war sein Motto. Er hatte beschlossen, sein Elend durch offensives Ausleben desselben zu bewältigen, aus seinem Scheitern am Leben eine Kunst zu machen. Deshalb nannte sich der bis zu 170 Kilo schwere Mann Phettberg, deshalb zelebrierte er öffentlich „zehn Jahre ohne Sex“ und sprach bei jeder Gelegenheit von seiner aussichtslosen Obsession für knackige „Jeansboys“.
Es gibt Bücher, …read more
Source:: Kurier.at – Kultur