„Kabale und Liebe“, die erste Community-Produktion des Burgtheaters, versucht Schiller im Vestibül ins Heute zu holen.
„Easy ist das Stück nicht“, sagt gleich zu Beginn eine der Darstellenden in „Kabale und Liebe“. Aber wenn im großen Haus „Hamlet“ und ähnliches gegeben wird, dann wollen sie im Vestibül auch irgendeinen „big shit“ für (nicht nur) junges Publikum machen. „Sie“, das ist das neue Community-Ensemble, das sich aus Berufsschauspielern und interessierten Laien zusammensetzt. In der Inszenierung von Ebru Tartıcı Borchers kommt der Workshop-Charakter immer wieder heraus. Wie können sich junge Menschen heute einem Stück wie „Kabale und Liebe“ von Friedrich Schiller annähern? Das ist immerhin keine „random love story“, so das frühe Urteil. Warum ist es heute noch aktuell? „Es geht um Machtmissbrauch und toxische Männlichkeit.“ Aber der alte Schiller war kein YouTuber – schnell geht es da nicht voran. „Diskussionen ohne Ende“.
Tanz und SarkasmusDie werden daher in dieser Version (Fassung: Markus Edelmann) ziemlich abgekürzt – was dem Stück ganz gut tut. Das Spiel auf der lediglich mit Kettenvorhängen geschmückten Bühne zirkuliert in verschiedenen Phasen: Es gibt die traditionellen, relativ texttreuen Szenen, die immer wieder von Tanzeinlagen (Bollywood, 80er- und 90er-Pop) unterbrochen werden. Dazwischen gibt es noch Interventionen mit Zusammenfassungen, wenn das Stück wieder zu langwierig wird. Etwa wenn Louise ihren vom Präsidenten erpresserisch diktierten Liebesbrief an den Hofmarschall, der Ferdinand und sie entzweien soll, schreibt – eine Intrige, die sich heute nur schwer nachvollziehbar vermitteln lässt. „What the fuck?“ Bisschen viel Sturm und DrangImmer wieder sprechen die Darstellerinnen und Darsteller plötzlich einige Sätze in anderen Sprachen – das soll wohl die globale Allgemeingültigkeit der Fallstricke der Liebe verdeutlichen. Mit derselben Intention werden auch die Rollen im Lauf des Abends immer wieder gewechselt. Louise zum Beispiel erkennt man an ihrem rosa Haarreif, auch wenn sie von einem Mann gespielt wird. Ab und zu gibt es einen sarkastischen Kommentar, einmal etwa heißt es: „Das ist jetzt aber schon bisschen viel Sturm und Drang“. Ein andermal weist Louises Mutter zynisch darauf hin: „Ich heiße nur Frau“.Objekt FrauTatsächlich hat Schiller es für diese Figur nicht der Mühe Wert gefunden, ihr einen Namen zu geben. Die Inszenierung greift das Thema der Frau als Objekt und Eigentum von Männern auf. Louise und Lady Milford werden immer wieder als „Hure“, „Nutte“ und „Bitch“ bezeichnet, was dann wiederum zeigt, wie Schillers Sprache in der Vereinfachung verarmt. Wie aktuell das auch heute ist, zeigen Schlagzeilen über Feminizide und Ehrenmorde leider nur allzu oft. Auch wenn dieser Theaterabend das nicht explizit herausstreicht, gibt es doch zu denken. Ob das allerdings bei einem jugendlichen Publikum (ab 14 Jahre) auch so ankommt, bleibt abzuwarten. Es ehrt das junge Ensemble (Paavo Peter Aichner, Elisa Ferstl, Silvana Filipovic, Victor Petro, Sophie Maria Rabmer, Karl Jakob Schäfer, Amelie Schulz, Rosa Zant) jedenfalls, dass es sich gegen ein Klassiker-Cancelling aufbäumt. Noch bis 3. Dezember können sich übrigens Jugendliche zwischen 12 und 16 Jahren für die Community-Produktion „Hässlichkeit“ (Premiere im Mai) melden. …read more
Source:: Kurier.at – Kultur