Das „Kaiserrequiem“ an der Volksoper verschränkt Mozart und Ullmann, Tanz, Oper und Konzert zu einer bewegenden Reflexion über Tod und Erlösung.
Verheerend bis heute sind die gesellschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie. Man stelle sich aber vor, was jene Seuche anrichten würde, die Viktor Ullmann in „Der Kaiser von Atlantis“ heraufbeschwört: Die Menschen können in der Kammeroper, die der später im Konzentrationslager ermordete Komponist im Getto Theresienstadt verfasste, nicht sterben. Sie sind hoffnungslos, erlösungslos ausgesetzt dem Leid des Seins.
Es ist ein Gedanke, der sich erst nach und nach in seiner Schrecklichkeit darstellt. Die Uraufführungsproduktion „Kaiserrequiem“ in der Volksoper, die Ullmanns Oper mit Mozarts Requiem verschränkt, hat dafür eine große und zugleich filigrane Form gefunden.
Ashley TaylorEin Ganzes
Die Premiere des Staatsballetts ist eine Gesamtform aus Tanz, Oper und Konzert, die, wie alle derartige Querschnittmaterien, von vornherein Gefahr läuft, die Erwartungen der jeweiligen Genreliebhaber zu unterlaufen. Hier aber fügt sich das in der Regie und Choreografie von Andreas Heise zu einem bewegenden Ganzen.
Es ist ein überraschungsreicher Abend: Sänger, Tänzer und Chor interagieren derart ineinandergreifend, wie man es jedenfalls im Musiktheater selten sieht.
Die Tänzer sprechen, die Sänger bewegen sich in eigenen Choreografien so viel, wie sonst wohl in zehn Opern zusammen. Die Rollen sind gedoppelt: Josef Wagner und Martin Winter geben den Tod. Wagner singt in zackiger Zeitlupenbewegung, Winters schön anzusehendes Bewegungsvokabular komplettiert die Rolle zur zentralen des Abends.
Ashley Taylor
Die abgehackt-militärischen Handbewegungen von Rebecca Nelsen als Bubikopf werden vom Ensemble des Staatsballetts aufgenommen und vervielfacht; die Stakkatotöne der Spitzenschuhe fügen sich zum Kriegstrommeln.
Ashley Taylor
Aleksandar Orlić vom Staatsballett hat als „Spital 34“ einen phänomenalen Auftritt zwischen Tanz und Sprach-Performance.
Und dem Leid von Daniel Schmutzhard als zuerst sich unsterblich wähnenden, dann nach Todeserlösung sehnenden Kaiser Overall wird durch Gabriele Aime jener Raum gegeben, den man zum Sterben braucht.
Ashley TaylorVerschränkt
Die Bühne (Sascha Thomsen) ist kühl gehalten, hohe Wände verengen den Raum, die Kostüme sind grau mit grellen Farbakzenten. Der Abend hebt mit verhalltem Stimmgeflüster an, der Harlekin (Seiyoung Kim) führt in die modernen Töne Ullmanns.
Ashley Taylor
Diese sind verschränkt mit dem Requiem. Die Werke werden so zu einem Handlungsganzen zusammengefügt, das beide verändert. Etwa wenn am Schluss der Tod wieder einzieht und verkündet: Er ist nicht der, der die Menschen leiden lässt, sondern der, der sie vom Leid erlöst. Das „Lacrimosa“ („Dona eis requiem“, gib ihnen die ewige Ruhe) hört man so plötzlich in trostreicher Stimmung.
Omer Meir Wellber, der das „Kaiserrequiem“ konzipierte, lädt, keine leichte Übung bei den unterschiedlichen Tonsprachen, den Orchesterklang mit Ernsthaftigkeit und Verve auf. So fügt es sich zu einem bewegenden Abend. Der übrigens auch eine sehr zeitgerechte Gedächtnisstütze für jene ist, die vergessen haben, dass es Dimensionen im Leben gibt, die sich nicht mit Hass und Eifer beiseiteschieben lassen.
Source:: Kurier.at – Kultur