Kinofilm „Das Biest“: „Léa ist stärker als die Kamera“

Kultur

Regisseur Bertrand Bonello lieferte mit „Das Biest“ ein visionäres Science-Fiction- Melodram auf mehreren Zeitebenen ab, charismatisches Zentrum ist Léa Seydoux

VonSusanne LintlIn ein faszinierendes Labyrinth aus Zeitsprüngen, Bewusstseinsebenen und unterdrückten Gefühlen führt der französische Filmemacher Bertrand Bonello in seinem Film „Das Biest“ (derzeit im Kino). Bonello erzählt die Geschichte von Gabrielle und Louis, die in verschiedenen Epochen aufeinandertreffen und doch nicht zusammen finden: 1910, 2014 und 2044. „Das Biest“zeigt betörende Bilder, bei denen Bonello sichtlich Anleihe bei Mystery-Master David Lynch genommen hat.

Das Jahr 1910 wählte Bonello, „weil es für mich das Aufbruchsjahr des 20. Jahrhunderts ist. Die Menschen begrüßten das neue Jahrhundert voller Hoffnung und Elan und mit visionären Ideen. Dass nur vier Jahre später dieses helle Licht mit dem Ersten Weltkrieg erlosch, ahnte damals niemand.“

Der Film entführt außerdem in die Social Media-Welt von 2014 und erzählt die Geschichte eines Incels, einem unfreiwillig zölibatär lebenden Mann in Los Angeles, der Frauen hasst, weil sie ihn zurückweisen. Bonello orientierte sich hier an realen Videos eines Bloggers und späteren Mörders. Mit der Zeitebene im Jahr 2044 blickt Bonello in eine nahe Zukunft, „da kann man sich noch gut ausmalen, was sein wird im Guten wie im Bösen“.

APA/AFP/LOU BENOIST

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Allzweckwaffe

Charismatisches Zentrum des Science-Fiction-Melodrams, wie Bonello es nennt, ist Frankreichs Cine-Allzweckwaffe Léa Seydoux, die in Bond-Filmen ebenso gute Figur macht wie in den verschrobenen Petitessen eines Quentin Dupieux – oder in Bonellos eigenwilliger Filmkunst. Sie spielt Gabrielle, der in den Pariser Salons der Jahrhundertwende der junge Louis (George MacKay) begegnet. Ihm vertraut sie ihre Ängste an: Sie fürchte, es werde ihr etwas Schreckliches zustoßen. Ein Biest warte nur darauf, sie zu kriegen. Eine tiefe Angst, die Gabrielle in ihrem Mäandern durch die Zeit ständig begleitet.

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Bonello arbeitete zum dritten Mal mit Seydoux (nach ,Saint Laurent“ und ,De la guerre“) und schrieb ihr die Rolle auf den Leib. „Sie ist alterslos, kann Figuren in jeder Zeit und Epoche darstellen“, sagt der Regisseur. „Ihre Aura ist mysteriös: Auch wenn du die Kamera stundenlang auf sie richtest, weißt du nie genau, was in ihr vorgeht. Das ist eine außergewöhnliche Qualität – die Kamera liebt dieses Undurchdringliche. Léa ist für mich stärker als die Kamera“.

Das titelgebende Biest ist für Bonello etwas, das stets präsent und fühlbar ist, man aber nie zu sehen bekommt. Eine abstrakte Ahnung von Schrecklichem, ein Menetekel, das die Seele zerfrisst. Bonello interpretiert das Biest „als Angst vor der Liebe. Aber bis die Protagonisten des Films das erkennen, ist es für sie schon zu spät.“

Konkurrenzprojekt

Interessanterweise nahm sich der in Paris lebende österreichische Filmemacher Patric Chiha dieselbe Kurzgeschichte von Henry James zur Vorlage und machte daraus „Das Biest im Dschungel“ – ein völlig anderer Film. Bonello wusste von Anfang an davon: „Als wir draufkamen, dass wir Filme auf Basis desselben Buchs machen wollen, trafen wir uns auf einen Kaffee. Es war schnell klar, dass wir uns nicht in Quere kommen.“

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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