… zu nüchterne, reduzierte Szene bei der selten aufgeführten Grand Operá „Les Troyens“ von Hector Berlioz am Opernhaus.
„Nuit d‘ivresse – Nacht der Trunkenheit, Nacht der Verzückung“: Es ist das absolute Highlight von „Les Troyens“, dieses verzaubernde Liebesduett von Dido und Äneas, das Hector Berlioz zum Ende des vierten Aktes komponiert hat. Und es wirkt umso mehr, wenn es so gesungen wird, wie jetzt an der Grazer Oper: Denn Anna Brull singt die Königin von Karthago Didon (Dido) mit vielen Facetten, herrlicher Legatokultur ihres schlanken Mezzos. Und sie driftet gekonnt von einer liebenden Frau immer mehr Richtung Fassungslosigkeit und Wahnsinn ab und kann im langen finalen Gesang, mit Emotionalität, Expressivität und Bühnenpräsenz faszinieren. Der den ganzen Abend sehr geforderte Iurie Ciobanu kann nicht nur im Liebesduett punkten, er singt den Énée (Aeneas) mit höhensicherem, hellem Tenor. Die Grand opéra nach Vergil handelt aber nicht nur von der unglücklichen Liebe Didos zu Aeneas in Karthago, sondern beschreibt auch zuvor den Untergang Trojas, der von der Seherin Cassandre (Kassandra) vorausgesagt wird. Beide Frauen sind Opfer von Männern, beide enden durch Suizid. Kassandra wird von Mareike Jankowski sehr feinsinnig, aber auch expressiv und immer präsent verkörpert. Markus Butter ist ein etwas mulmig klingender Chorèbe (Choröbus). Neira Muhic ist die schön timbrierte Anna, Schwester von Dido. Auch die vielen kleineren Rollen, wie etwa Ekaterina Solunya (Ascanius) und Euiyoung Peter Oh (Iopas/Hylas) lassen aufhorchen. Eine der Hauptrollen spielt diesmal der omnipräsente Chor der Grazer Oper, erweitert durch den Philharmonia Chor Wien, der mit Homogenität und Stimmkraft besticht.Vasilis Christopoulos spürt bei den Grazer Philharmonikern den Schönheiten der Partitur mit satten, atmosphärischen Klängen und Farbenreichtum intensiv nach, ohne groß aufzutrumpfen. Dieses Schlüsselwerk der französischen Oper des 19. Jahrhunderts ist wegen der großen Sängerbesetzung und reiner Spieldauer von über fünf Stunden immer eine Herausforderung für jedes Opernhaus. In Graz kommt man inklusive zweier Pausen auf fast vier Stunden, indem nicht nur alle Ballette und Pantomimen, sondern auch die Nebenfiguren aufs Allernotwendigste zusammengestrichen hat. Tatjana Gürbaca interessiert sich in ihrer Inszenierung hauptsächlich für die Psychologie der drei Hauptfiguren Aeneas, Kassandra und Dido, stellt sie in den Mittelpunkt und zeigt sie als starke Persönlichkeiten wie in einem Psychodrama. Und sie zeigt den Krieg ohne Ende und die Gewalt, die überall unter der Oberfläche lauert.Leider kommt die optische Szene nicht an die sonstige Umsetzung heran. Denn als Bühnenbild fungiert eine extrem nüchterne, schräge, nichtsagende, stimmungslose Holzkonstruktion auf der Drehbühne (Henrik Ahr), zum Finale kommt eine Art Gitterkäfig dazu. Großteils nichtsagend sind auch die Kostüme (Barbara Drosihn).Viel Applaus!Kurier-Wertung:Vier Sterne
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Source:: Kurier.at – Kultur