Milica Vučkovićs über Missbrauch und das, was manche für Liebe halten

Kultur

Milica Vučkovićs „Der tödliche Ausgang von Sportverletzungen“

Es beginnt mit kleinen Demütigungen. Was sie wieder für einen Unsinn redet. Warum sie dieses merkwürdige Kleid anzieht, in dem sie aussieht, wie ihre eigene Oma. Und was sie eigentlich mit diesem Barkeeper zu besprechen hatte.

Später wird sie sich selbst die Schuld geben. Wozu hat sie ihn nur gebracht? Viktor weint. Er hat sie geschlagen. Wie schafft es Eva bloß immer, ihn zum Äußersten zu bringen? Wenn er seine Armbanduhr nicht getragen hätte, dann hätte sie jetzt auch nicht so geblutet, sagt sich Eva. Und es wird schon stimmen, dass sie immer das letzte Wort haben muss, immer an sich denkt.

Viktor mag es nicht, wenn Eva in einer Runde mit anderen etwas sagt. Sie soll sich nicht aufdrängen und nicht ständig von Dingen reden, von denen sie keine Ahnung hat. Viktor legt Wert auf geschlechtersensible Sprache und darauf, dass sie sich nicht zu sehr einlebt in ihren Jobs – „zufriedene Sklaven“ seien das Schlimmste. Ja, er setzt sich für Frauenrechte und für Klassengerechtigkeit ein. Er arbeitet seit eineinhalb Jahren an einem Roman, nachts. Wird ein Meisterwerk. In der Früh räumt sie den überquellenden Aschenbecher und die leeren Bierdosen weg, bevor sie putzen geht. Einmal muss sie auch das I-Pad ihres kleinen Sohnes, das sich Viktor ausgeborgt hat, um Pornos darauf zu schauen, putzen. Was soll er denn sonst tun, sie ist ja so lieblos.

Wie in einen Strudel zieht einen diese schreckliche, wahnsinnig gut erzählte Geschichte hinein. Milica Vučkovićs Roman „Der tödliche Ausgang von Sportverletzungen“ war in ihrer Heimat Serbien ein riesiger Erfolg und das ist kein Wunder, denn er ist tückisch. Diese Geschichte einer misshandelten Frau liest sich unglaublich gut, man traut sich gar nicht, es zu sagen: beinahe unterhaltsam. Das liegt an Vučkovićs rasanter Erzählweise und an der lakonischen Art ihrer Protagonistin Eva. Sie wirkt wie eine patente junge Frau, die zu wissen scheint, was sie will. Aus Želenik, diesem scheißlangweiligen Vorort von Belgrad, will sie raus. In der Stadt findet sie schnell einen Job, einen netten Freund, dann noch einen, ein bisschen weniger nett, und schließlich Viktor. Ihn hält sie für Adonis. Und ein Genie. Er behauptet, er sei Schriftsteller. Zumindest Journalist.

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Viktor erkennt rasch, wie er ihre zarten Unsicherheiten vertiefen, ihr Selbstwertgefühl verringern und sich darauf selbst aufbauen kann. Er drängt sich auf, erst vorsichtig, aber hartnäckig, per SMS, bald hat er den Fuß in der Tür. Er erklärt ihr die Welt und zwischendurch auch, dass sie froh sein kann, ihn zu haben, als geschiedene Frau mit Kind ist sie ja „Gebrauchtware“. Als es ihm gelingt, sie mit sich nach Stuttgart zu nehmen, scheint die Sache völlig verfahren.

Milica Vučković, geboren 1989 in Belgrad, macht das raffiniert. Als Leserin weiß man bald, was für einen Manipulator Eva da vor sich hat. Sie ist die Einzige, die das nicht weiß. Die Schläge? In einer besonderen Beziehungen seien große Emotionen normal. Sie hält es für Liebe.

Cover

Milica Vučković:
„Der tödliche Ausgang von Sportverletzungen“. Zsolnay.
192 S. 23,70 €.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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