Der Schauspieler, Regisseur, Theaterdirektor und Geschichtenerzähler starb im Alter von 94 Jahren. Einen Künstler in dieser Universalität wird es wohl nie wieder geben.
Mit solch universellem Talent wird selbst das verwöhnte Wiener Publikum nur selten beglückt. Otto Schenk war Schauspieler, weil er nicht anders konnte, als in Rollen zu schlüpfen – egal, ob er auf einer Bühne stand oder nicht. Er war Opernregisseur, weil ihn die Musik zutiefst erschütterte. Und Theaterdirektor aus Leidenschaft.
Dazu noch ein Wienerischer Philosoph, der die Welt spöttisch kommentierte. Niemand versteht, wie so viele Talente in ein Leben hineingepackt werden konnten. Die 94 Jahre, die ihm gegeben waren, sind im Grunde viel zu kurz, um all das zu bewerkstelligen, was Otto Schenk geschaffen hat.
Eigentlich mag er das Theater gar nicht
Bis zum Ausbruch von Corona stand er auf der Bühne, im März 2021 gab er dann bekannt, dass er sich aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen würde. Schauspieler zu sein war für ihn ein suchtartiges Verhalten: „Wie der Raucher eine nach der anderen raucht, so theatere ich ketten“.
Um im selben Augenblick zu erklären, dass er das Theater gar nicht mag: „Nicht einmal den Geruch. Theater stinkt!“ Schenk beherrschte die Meisterschaft, sich selbst zu widersprechen und mit den einander divergierenden Ansichten doppelt recht zu behalten. Auf die Frage „Ihre größte Stärke?“ sagte er: „Das Gedächtnis.“ Und „Ihre größte Schwäche?“: „Das Gedächtnis.“
APA/FRANZ NEUMAYR
Helmuth Lohner war Otto Schenks Lebensfreund, Bühnenpartner und 1997 Nachfolger als Direktor des Theaters in der Josefstadt
Alternativlos
Geboren 1930 in Wien als Sohn einer aus Triest stammenden katholischen Mutter und eines jüdischen Wiener Vaters, der trotz „privilegierter Mischehe“ seinen Beruf als Notar nicht ausüben durfte, wuchs Otto Schenk in der Nazizeit als „Halbjude“ auf.
Nach dem Krieg absolvierte er das Reinhardt Seminar – und das, obwohl ihm „das Theater widerlich war. Ich floh schreiend aus dem Burgtheater, in das mich meine Eltern aus erzieherischen Gründen geführt haben“.
Und im selben Atemzug wieder ein Schenk’scher Widerspruch, der auf die berufliche Alternativlosigkeit verwies „Fragen S’ an Fisch, ob er gern im Wasser ist, er hat keine andere Wahl. Mir geht’s genauso, ich wurde Schauspieler, weil ich nichts anderes kann.“
Die Liebe seines Lebens
Am Reinhartseminar lernte er seine spätere Frau Renée Michaelis kennen, die bald in der TV-„Familie Leitner“ auftrat, in der Schenk Regie führte. Später gab sie ihren Beruf auf, um sich ganz der Karriere ihres Mannes zu widmen.
„Ich habe eine Frau“, sagte er, „die mit mir ein Wesen ist, die ich vergöttere und mit der ich mir einen gemeinsamen tödlichen Autounfall wünsche“. Das war nicht der Fall, Renée Schenk starb im April 2022.
„Spiel weiter, Schenk, die Hunde haben bezahlt!“
Otto Schenk spielte zunächst auf Kellerbühnen. Als König der Anekdote wusste er von jeder seiner Lebensstationen Geschichten zu erzählen. Aus dem Kellertheater am Wiener Parkring war es die, wie eine Frau im fast leeren Zuschauerraum mit zwei riesigen Doggen saß, die durch lautes Kläffen den Verlauf der Vorstellung störten.
Schenk wusste nicht, wie er weitermachen sollte, bis ihm ein erfahrener Kollege auf der Bühne zuflüsterte: „Spiel weiter, Schenk, die Hunde haben bezahlt!“
Kurier/Repro: Franz Gruber
Mit seiner Ehefrau Renée war Schenk …read more
Source:: Kurier.at – Kultur