Martin Finnland, Gründer der queeren Gruppe Nesterval, über die Produktion „Götterdämmerung“ im Auftrag der Staatsoper für NEST
Martin Hötzeneder, geboren am 12. Dezember 1982 in Zell am See, arbeitete mehrere Jahre für den „Life Ball“ – und gründete 2011 mit Teresa Löfberg die queere Gruppe Nesterval. 2020 wurde die schrille Truppe aus Amateuren und Profis für die Produktion „Der Kreisky Test“ mit einem Nestroy ausgezeichnet. Nun hat man es ins Establishment geschafft: Nesterval setzt für die Staatsoper die „Götterdämmerung“ von Richard Wagner um – als immersives Spektakel im östlichen Seitentrakt des Künstlerhauses, der nun die neue Spielstätte NEST ist.
Wiener Staatsoper / Sofia Vargaiová
Will mit Theater berühren: Nesterval-Gründer Finnland
KURIER: Ihre Mutter, eine Finnin, ist wohl nicht der einzige Grund, warum Sie sich als Theatermacher Martin Finnland nennen: Erweisen Sie Tom of Finland die Reverenz, der die Lebenswelt der Schwulen gezeichnet hat?
Martin Finnland: Tatsächlich beides. Als queeres Theaterensemble ist man natürlich mit Tom of Finland, einem wirklich fantastischen Künstler, vertraut. Aber ich heiße seit zwei Jahren auch offiziell Martin Finnland. Unter Hötzeneder ein Subventionsansuchen für Herrn Finnland zu stellen, ist sehr kompliziert. Aber ich stehe zu meinen Oberösterreicher-Wurzeln!
Nesterval war viele Jahre Teil der Off-Szene, nun gibt es einen Marsch durch die Institutionen …
Wir sind selber ganz überrascht. Das ist eine wahnsinnige Wertschätzung nach 13 Jahren harter Arbeit. Immersives Theater kann man ja nicht erlernen.
Aber man konnte schon ein bisschen beim Polydrama „Alma“ von Joshua Sobol und Paulus Manker abschauen. Denn auch bei Ihnen folgt das Publikum den Figuren zu den diversen Schauplätzen.
Das stimmt. Aber wir nehmen unser Publikum die ganze Aufführungsdauer wahr. Und das ist ja der Kern von immersivem Theater: Wir haben keine ZuseherInnen, sondern Gäste, mit denen wir gemeinsam einen Abend erleben. Ab und zu gibt es nur ein Zuzwinkern, dann wiederum wird jemand an der Hand genommen – und ins Séparée oder sonst wohin entführt. Das ist ein großer Schritt in eine andere Richtung. Unsere Grundprämisse ist immer: Unsere Inhalte sollen das Publikum berühren.
Das haben Sie zuletzt mit den „Namenlosen“ über das Schicksal der Homosexuellen in der NS-Zeit geschafft. Aber wie kam es dazu, dass Sie für die Staatsoper arbeiten? Ist Direktor Bogdan Roščić auf Sie zugegangen?
Gertrud Renner, die das NEST mitkonzipiert, hat Nesterval vorgeschlagen. Und dann kam tatsächlich der Anruf der Staatsoper. Am Anfang war ich skeptisch, ob wir da überhaupt reinpassen. Wir sind kompromisslos in dem, was wir machen. Wie soll das in einem Staatsapparat gehen? Aber die Idee für NEST – der Name ist für die Gruppe Nesterval natürlich toll – hat mich überzeugt. Dennoch habe ich darauf bestanden, dass Bogdan Roščić zu einer Vorstellung von „Die Namenlosen“ kommt. Er wollte nur eine Stunde bleiben, weil er so viele Termine hatte. Aber dann blieb er bis zum Schluss. Er ließ uns freie Hand, hatte nur eine Vorgabe: Unser Stück muss Musik beinhalten.
Und Sie haben sich mit Richard Wagners „Götterdämmerung“ eine der schwierigsten Opern ausgesucht …
Haben wir. Aber sie stand lange Zeit nicht fest. Ich bin ein großer Fan von „Peter Grimes“, eine Option war auch „Die Zauberflöte“. …read more
Source:: Kurier.at – Kultur