Opernstar Asmik Grigorian probt derzeit Bellinis „Norma“ – eine Rolle, die für sie hoch persönlich ist. Sie spricht über ihre Eltern, Schuldgefühle, Scham und den Grund, warum sie sich an ihre Grenzen bringt.
Sie ist einer der größten Stars des Opernbusiness. Und dennoch sagt Asmik Grigorian: „Ich habe lange gefühlt, dass ich nicht wert bin, dort zu sein, wo ich bin.“
Das hat, wie sie dem KURIER erzählt, mit ihren Eltern zu tun. Und mit sich selbst. Und mit der Rolle, die sie derzeit probt: Im Theater an der Wien singt sie am 16. Februar erstmals Bellinis „Norma“, eine Rolle, die ihre Mutter Irena Milkevičiūtė prägte. Eigentlich hätte Grigorian schon 2020 Partie singen sollen – aber die Pandemie kam dazwischen.
KURIER: Haben Sie gezögert, diese Rolle anzunehmen?
Asmik Grigorian: Wie bei allen meinen Rollen sage ich zuerst ja – und dann denke ich: Asmik, warum tust du dir das eigentlich an? (lacht) Ich war so dankbar, dass es wegen der Pandemie nicht zustande gekommen ist. Jetzt ist mein Terminkalender immer voll, es gibt nie genügend Zeit, sich wirklich auf eine „Norma“ vorzubereiten. Aber dieses Werk kann man nicht vortäuschen. Das muss man schön singen. Ich habe so ein breites Repertoire, ich könnte einfach mein Leben genießen. Aber ich muss mich immer herausfordern.
Bei dieser Rolle ist die Herausforderung für Sie wohl auch emotional.
Während der vergangenen vier Jahre habe ich ein tieferes Verständnis von mir selbst entwickelt. Ich wollte verstehen, warum ich so kämpfe und so viel Energie in alles stecke. Dabei habe ich realisiert, warum mir diese Rolle wichtig ist, denn ich möchte sie meiner Mutter widmen. Sie war eine unglaubliche Sängerin. Unter anderen Verhältnissen wäre sie die größte gewesen. Ich will mich dafür einsetzen, dass die Welt das weiß.
Es ist sicher schwierig, sich mit seinen Eltern im selben Metier zu messen?
Es ist ein riesiges Geschenk – und zugleich wie ein Fluch. Ich konnte nie alleine auf die Bühne gehen, meine eigenen Fehler machen. Ich habe immer meine Eltern mit hinaufgenommen. Ich bin darin jetzt schon viel besser, aber es hat Jahre gebraucht, bis ich mich als dessen würdig empfunden habe. Das ist es auch wahrscheinlich, warum ich so viel mache: Ich versuche immer noch zu beweisen, dass ich verdiene, was ich mache und wo ich bin. Und zwar mir zu beweisen, nicht der Welt. Die zeigt mir jeden Tag, dass sie mich liebt, das Publikum und auch die Kritiker vermitteln, dass ich würdig bin.
Von außen gesagt: Niemand, der hören kann, würde das bezweifeln!
Ich hinterfrage das, jeden Tag. Es ist ein tägliches Ringen, mir den eigenen Platz zu suchen und mich würdig zu fühlen. Aber wahrscheinlich wäre ich nicht dort, wo ich bin, wenn ich diese Eigenschaft nicht hätte. Es zwingt mich, mich immer wieder an meine Grenzen zu bringen.
Timofei Kolesnikov
In der Klassikwelt gibt es endlos viele Erzählungen davon, dass Eltern ihre Kinder unter Druck setzen. Bei Ihnen aber war das nicht so?
Ich bin wahrscheinlich niemand, der sich von außen unter Druck setzen lässt – sondern nur durch mich selbst. Niemand kann mich so …read more
Source:: Kurier.at – Kultur