Patti Smiths Autobiografie: Das Geheimnis um ihren Vater

Kultur
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Die Autobiografie sei das also jetzt. Aber hat Patti Smith mit „Just Kids“ nicht schon so etwas Ähnliches wie eine Autobiografie geschrieben?

Ja. Nein. Vielleicht.

In „Just Kids“ erzählte die heute 78-jährige Rock-Lyrikerin von den gemeinsamen Jahren mit ihrem Lebensmenschen, dem 1989 verstorbenen Fotografen Robert Mapplethorpe, und machte dem herrlich vergammelten New York der 1970er-Jahre eine Liebeserklärung.

„Bread of Angels“ beinhaltet natürlich auch das, die Jahre mit Mapplethorpe waren schließlich prägend für die Dichterin und Musikerin. Die alten Bekannten Brooklyn und Chelsea Hotel kommen auch hier vor. Man schreibt Gedichte, trifft Janis Joplin, Allen Ginsberg, Sam Shepard. Hört Tim Buckley, studiert Bücher über Picasso (dessen Anti-Kriegs-Gemälde „Guernica“, ihr erklärtes Lieblingsbild, hier immer wieder vorkommt). Und lässt sich ausgerechnet von Bob Dylan bescheinigen, keine „echte Sängerin“ zu sein.

Das Buch erzählt aber auch die Geschichte rundherum. Was vorher, was nachher geschah. Von ihrer Kindheit in Chicago und dem Abschied aus der brodelnden Stadt New York, die sie für ihren Mann Fred „Sonic“ Smith verließ, als sie in dessen Heimat Detroit zog und tatsächlich Hausfrau wurde.

Außerdem davon, dass sie erst vor Kurzem erfuhr, dass Grant Harrison Smith nicht ihr leiblicher Vater war. Die Urgroßmutter hatte es längst vermutet, in der Familie gingen Gerüchte um. Kurz vor ihrem 70. Geburtstag macht Smith einen DNA-Test. Ein kleiner Stich in den Finger, und bald weiß sie, dass sie das Ergebnis eines „Nachkriegsmissgeschicks“ ihrer Mutter ist.

Von ihren Eltern, also denen, die sie dafür hielt, löste sie sich früh. Mit deren Nähe zu den Zeugen Jehovas konnte sie nichts anfangen. Kann sie mit institutionalisierten Religionen generell nicht, auch wenn sie sich in ihrer Rockpoesie immer wieder ins Spirituelle begibt. Dass das Buch, in dem sie über ihr Leben schreibt, das Wort „Engel“ im Titel trägt, kommt wohl nicht von ungefähr, als Schriftstellerin und Musikerin hat sie sich ihr Leben lang mit dem Thema beschäftigt. Ihre Musik-Karriere begann mit dem Satz „Jesus died for somebody’s sins but not mine“. Jesus starb für jemandes Sünden, aber nicht für meine. Der erste Satz von „Gloria“, einer Interpretation des Van-Morisson-Klassikers, dem ersten Song ihres Debütalbums „Horses“.

  Wort des Jahres: 6-7, ein Begriff, der nichts bedeutet

Cover

Patti Smith:
„Bread of Angels“ 
Kiepenheuer & Witsch.
315 Seiten.
27,50 Euro

Die Ikone „Horses“

Patti Smith war 28 Jahre alt, als sie „Horses“ veröffentlichte. Erschienen 1975, ist es bis heute ein Meilenstein der Popmusik. Eine Ikone, beginnend beim Cover. Schwarz-weiß, fotografiert von Robert Mapplethorpe. Dermaßen cool, dass jede neue Generation junger Frauen und vielleicht auch junger Männer genau so aussehen will: eine androgyne, schlaksige junge Person mit gerade richtig wildem Strubbelhaar, offenem weißen Hemd, Sakko über der Schulter. Draufgängerischem, selbstsicherem und doch schwer zu deutendem Blick. Eine neue Art Pop-Ästhetik.

Der androgyne Look ist übrigens nur die halbe Wahrheit. Auf der „Horses“-Tour trägt sie ein sündteures schwarzes Faltenkleid aus Seide, das gleiche Kleid, das Sylvia Kristel in „Emmanuelle“ trug, bloß war ihres cremefarben. Das Fünftausend-Dollar-Kleid wurde zu Patti Smiths Uniform, sie trug es mit der Jacke vom Horses-Cover und Kampfstiefeln. Launige Petitessen dieser Art erfährt man allerhand in diesem Buch. Smith beschreibt, wie sie mit Mapplethorpe in den späten 1960ern New Yorker Flohmärkte erkundet, wo sie …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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