Warum ist der Aufschrei gegen eine FPÖ/ÖVP-Regierung in der österreichischen Kulturszene nicht lauter? Rainhard Fendrich weiß, warum – und macht sich Sorgen.
Am 27. Februar wird Rainhard Fendrich 70 Jahre alt. Außerdem feiert er heuer sein 45-jähriges Bühnenjubiläum. Das hat ihn selbst ein bisschen überrascht. Nicht umsonst heißt sein neues Album auch „Wimpernschlag“. Vergänglichkeit ist darauf ein Thema, etwa mit dem nostalgischen „Nachtzug nach Jesolo“ oder „Und das Herz schlägt weiter“, einem berührenden Song über Verlust. Daneben heißt es aber auch einmal: „Nie wieder jung sein“. Denn Gegenwart und Zukunft, die aktuelle gesellschaftliche und politische Lage der Welt – Krieg, Flucht, Klimawandel und Fake News – beschäftigen Fendrich mindestens genauso auf seinem neuen Album.
KURIER: Ihr Album heißt „Wimpernschlag“, jeder in einem gewissen Alter weiß, was das bedeutet: Wie schnell die Zeit vergeht…
Rainhard Fendrich: Ich habe eine Doku über die Entstehung der Erde gesehen, und da wurde erklärt: Wenn die ganze Entstehungsgeschichte der Erde eine 12-Stunden-Spanne wäre, dann sind wir erst die letzten drei Minuten da als Menschen. Im Vergleich dazu: Was ist eigentlich ein Menschenleben? Als ich mich auf die Tour vorbereitet habe, hab ich selbst nachrechnen müssen, ob ich wirklich 45-Jahre-Bühnenjubiläum habe. Unglaublich, wie man diese Jahre vor sich herschiebt, und plötzlich ist man 70. Mein Vater war ein alter Mann mit 70. Ich fühl mich besser, als ich je gedacht hab, dass ich mich fühlen werde, wenn ich 70 bin. Man muss achtsamer mit sich umgehen. Natürlich ist jung besser, aber es kommt immer drauf an, in welcher Umgebung, welchen Umständen, welcher Epoche man jung ist. Es war früher nicht alles besser.
Ein Lied heißt ja auch „Nie wieder jung sein“…
Ja, da glaubt man, der will sich was schönlügen. Aber das stimmt nicht. Ich bin 1965 ins Gymnasium gekommen, in ein Internat, das war nicht lustig. Es hat das Züchtigungsrecht gegeben, die g’sunde Watsch’n war Erziehungsmethode. In dem Internat gab es absurde Regeln: Glockenhosen und lange Haare waren verboten. Wenn man dagegen verstoßen hat, gab es drastische Strafen. Man ist Samstag und Sonntag eingesperrt gewesen, durfte nicht nach Hause. Mich haben’s einmal mit einem „Fix und Foxi“-Heft erwischt. Comics waren verboten und ich musste dieses Heft auswendig lernen, mit allen Huchs und Stöhns. Das waren Foltermethoden. Die Landserhefte waren übrigens erlaubt. Die Erzieher haben vorwiegend geschrien. Ich war in einem humanistischen Gymnasium, aber ich hab kein einziges Wort über den Zweiten Weltkrieg in einem Geschichtsbuch gelesen, ich hab bis zur Matura nicht einmal gewusst, was das Wort Holocaust bedeutet. In unserer Clique hab ich immer das wenigste Geld gehabt, nie einen Schilling Taschengeld, eine schöne Jugend war das nicht. Ich habe mich untergedrückt gefühlt von meinem Vater. Der hat nicht erzogen, der hat geherrscht. Er hat gesagt: „Das Patriarchat gibt’s seit 6000 Jahren, das hat sich bewährt“, und er hat damit die Lacher auf seiner Seite gehabt. Ich war das erste Mal frei, als ich von zuhause weggegangen bin. Jetzt besteht meine Freiheit darin, dass ich nicht machen kann, was ich will, sondern dass ich nicht machen muss, was ich …read more
Source:: Kurier.at – Kultur