„Schüler Gerber“ in St. Pölten: Die Vernichtung eines Schülers

Kultur

Sven Kaschte zieht als Torbergs „Schüler Gerber“ im Landestheater NÖ in seinen Bann.

Von Susanne Zobl

Wenn Sven Kaschte mit eiskalter Stimme die Stille im Saal mit den Worten „Kandidat Gerber, rechnen Sie!“ durchschneidet, wird sofort die Erinnerung an beklemmende Mathematikstunden, an unlösbare Formeln, an seltsame X oder hochgestellte Ziffern wach. Man kann nur dankbar sein, dass einem so eine Lehrerfigur wie Kupfer aus Friedrich Torbergs Roman „Der Schüler Gerber“ erspart geblieben ist. Verena Holztrattner (Regie) und Thorben Meißner (Dramaturgie) haben Torbergs Werk aus dem Jahr 1930 über einen Schüler, der von seinem Klassenvorstand im Maturajahr vernichtet wird, für die Reihe „Klassenzimmertheater“ des Landestheaters NÖ, mit dem man durch Schulen in Wien und Niederösterreich tourt, in die Gegenwart geholt. Luiza PuiuSchüler GerberSven Kaschte zeigt packend einen jungen Mann, der auf die quälenden Monate im letzten Schuljahr am Realgymnasium in einem Monolog zurückblickt. Genuin wechselt er zwischen der Figur des Schülers und seinem Peiniger, dem Lehrer Kupfer. Wie es heute den Umgangsformen entspricht, ist bei ihm von Lehrerinnen und Lehrern die Rede. Wenn Kaschte von Lisa erzählt, einer Mitschülerin, um deren Gunst er sich vergeblich bemüht, verfällt er in eine Art Jugendsprache. Ein Song von Moby wird eingespielt. Die ersten Prüfungen werden wie in einer Quiz-Sendung durchgespielt, dann wird es ernst. Die Aufführung lässt nichts aus, die Krankheit des Vaters, den immer stärker werdenden Druck auf Gerber, der ihn im Original in den Selbstmord treibt. Dass er die Matura bestanden hat, bekommt er nicht mehr mit. Am Ende überwältigt ihn ein Rauschen in Kopf. Burn-out? Die Generation der heute über 50-jährigen mag sich noch die Verfilmung mit Gabriel Barylli als Gerber erinnern. Dass ein Lehrer wie Kupfer heute längst suspendiert wäre, ändert nichts daran, dass Sven Kaschte die Stärke dieses Stoffs spüren lässt. Das war auch an der Zustimmung des überwiegend jungen Premierenpublikums in der Theaterwerkstatt in St. Pölten zu erkennen.KURIER-Wertung:4 Sterne
…read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

(Visited 1 times, 1 visits today)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.