„Seit Jahren wird der Kompromiss madig gemacht“

Kultur

Helga Rabl-Stadler über die Gründe für den Glaubwürdigkeitsverlust der Politik, die Grenzen künstlerischer Freiheit, und warum sie die Bezeichnung „alte, weiße Männer“ nicht mag

Es ist sehr heiß am Tag des KURIER-Interviews, aber die frühere Festspielpräsidentin ist wie immer sprühend, meinungsstark und ein wenig sarkastisch.

KURIER: Sie hatten eine so abwechslungsreiche Karriere, sind weiter tätig und beraten jetzt den Außenminister in Kulturfragen. Work-Life-Balance scheint also kein großes Thema für Sie zu sein?

Helga Rabl-Stadler: Das ist für mich ein Unwort, das die Menschheit nicht glücklicher macht. Zudem wirkt es leistungshemmend, wenn man nach Erfüllung nur in einem anderen, nicht mit Arbeit verbundenen Leben sucht.

Sie waren einst selbst Politik-Journalistin, kannten auch Kreisky. Was sagen Sie zum Glaubwürdigkeitsverlust von Politik und Medien?

Es herrscht ein ungeheures Gefühl der Fremdheit: Die Menschen glauben weder den Medien noch der Politik, und der Stellenwert der Demokratie nimmt gefährlich ab. Eine Demokratie besteht aus Kompromissen. Niemand hat die allein selig machende Lösung. Aber seit Jahren wird der Kompromiss madig gemacht. Die Kunst muss kompromisslos sein. Die Demokratie muss Kompromisse schließen.

Kurier/Juerg Christandl

Waren Sie überrascht über den Erfolg der KPÖ in Ihrer Heimatstadt Salzburg?

Ja. Wenn ich Bekannte gefragt habe, warum sie KPÖ gewählt haben, dann lautete die Antwort oft: „Weil er so erfrischend ist“. Im Namen des Kommunismus wurden und werden viele Menschen umgebracht oder ins Unglück gestürzt. Kay-Michael Dankl muss dringend seinen Parteinamen ändern.

Sie wurden wiederholt als mögliche ÖVP-Präsidentschaftskandidaten gehandelt. Würde Sie das reizen?

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Nein. Wir brauchen Junge mit Mut zum Gestalten. Ist es nicht gefährlich, dass „Fridays for Future“ den jungen Leuten eine dystopische Zukunftsvorstellung einredet und sogar vom Kinderkriegen abrät? Nur Hoffnung gibt die Kraft, etwas zum Besseren zu verändern. Der Österreicher hat ohnehin die fatale Anlage, in der Änderung immer nur eine Änderung zum Schlechten zu sehen.

Salzburgs Landeshauptmann Haslauer war im Gespräch für Ihre Nachfolge bei den Festspielen und hätte sich damit eine schwarz-blaue Koalition erspart. Er wirkt ernüchtert.

Auf mich nicht. Der Landeshauptmann wäre ein hervorragender Festspielpräsident gewesen, aber die ÖVP, nein Salzburg, braucht ihn in der Politik.

Die Wiener Festwochen haben heuer stark provoziert. Ihre Meinung dazu?

Die Frage ist, ob man mit Provokation die Augen und Seelen jener öffnet, die nicht zur eigenen Anhängerschaft zählen.

Müssen Kunst und Kultur nicht immer provozieren?

Aber natürlich, auch verstören. Sie dürfen aber auch unterhalten und schön sein.

Kurier/Juerg Christandl

Im Stück „Sancta“ bei den Festwochen arbeitete man sich wieder einmal an der katholischen Kirche ab. Ist das nicht schon langweilig?

Ich bin dagegen, dass man Menschen lächerlich macht, die ihre Heimat im Glauben gefunden haben. Wir sind zu recht viel sensibler im Umgang mit Minderheiten geworden! Da werden Nonnen verhöhnt, die Messe wird persifliert. Die Freiheit der Kunst ist eine der wichtigsten Errungenschaften der Demokratie! Aber jede Freiheit hat dort Grenzen, wo sie jemand anderen zutiefst verletzt. Daher war und bin ich auch gegen das Lächerlichmachen des Propheten Mohammed.

Die ÖVP hat eine Leitkultur-Debatte angerissen, nach anfänglichem Gegenwind aber schnell wieder aufgegeben. Brauchen wir so etwas überhaupt?

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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