
Als sich in den Applaus ein paar herzhafte Buhrufe mengten, war sofort klar: Die Jüngsten im Publikum waren von Gordon Kampes Oper genauso mitgerissen wie man selbst. Einige Erwachsene aber wussten nicht so recht, warum ausgerechnet gegen einen Sänger protestiert wurde, der doch gut war. Dabei war klar, die Buhs galten nicht ihm, sondern der Figur.
Was passiert denn mit den Krokodilen oder den bösen Zauberern im Kaspertheater? Sie bekommen den Zorn des jungen Publikums zu spüren, hier trifft es eben den Unhold. Ein besseres Argument für Gordon Kampes Vertonung von Enne Koens Jugendroman „Ich bin Vincent! Und ich habe keine Angst“ (Libretto: Paula Fünfeck) liefert nur die Aufführung selbst.
Herwig Prammer
Die Bühne (Tatjana Ivschina) ist ganz naturalistisch. Wohnzimmer, Kinderzimmer, Schulklasse und ein Wald, der mit Pappbäumen und tollen Projektionen dargestellt wird, sind ein ideales Szenario für Vincents beklemmende Geschichte.
Johannes Schmid hat eine Hand, für ein jugendliches Publikum zu erzählen. Er hat Christine Nöstlingers „Geschichten vom Franz“ fürs Kino adaptiert. Jetzt nimmt er sich Vincent in kompakten 70 Minuten vor. Dessen Freunde, ein Eichhörnchen, ein Fohlen, ein Käfer und ein Wurm, existieren nur in seiner Fantasie. Seine Freizeit verbringt der Bub mit dem Studium von Überlebenstraining. Sein Survival-Kit hat er bereits eingerichtet.
Die Eltern ahnen nicht, dass das für den Buben mehr ist als nur ein Spiel in der Wildnis. Seine Bedrohung ist real. Dilan, der Tonangeber in der Klasse, will ihn fertigmachen und bringt die Kollegen dazu, ihn zu mobben, bis Jacqueline, „Jacke“ genannt, ihm auf der Schullandwoche einen Ausweg zeigt.
Spannende Töne
Gordon Kampe hat eine verstörende, spannende Theatermusik geschaffen, die zwischen freier Tonalität und opernhaften Melodien, die wie aus der Romantik klingen, Emotionen in Tönen umsetzt. Vincents Partie hat er dem Countertenor Alois Mühlbacher präzise angepasst. Alles klingt bei ihm ganz natürlich. Er sing wortdeutlich und changiert glaubhaft zwischen seiner Fantasiewelt, wo er mit seinen Tierfreunden spricht, und der bitteren Realität. Sopranistin Georgina Fürstenberg ist ihm eine starke Partnerin als Jacke. Lavinia Dames lässt als Lehrerin aufhorchen. Johannes Bamberger verkörpert den bösen Dilan so überzeugend, dass ihn das junge Publikum dafür am Ende straft. Michael Balke dirigiert die Wiener Symphoniker mit Drive. So funktioniert eine Oper für junge Menschen.
Source:: Kurier.at – Kultur



