Soap&Skin schießt ihre intensiven Gefühle ins Auditorium

Kultur

Die als Anja Plaschg geborene Musikerin glänzte in Wien mit Coverversionen von Rock-Klassikern und eigenen Songs

Er hat noch keine Minute gedauert, dieser erste Song des Soap&Skin-Konzertes, und schon kribbelt am ganzen Körper die Gänsehaut. Es ist „The End“, ein Song von den Doors, den die als Anja Plaschg geborene Musikerin für ihr grandioses Coverversionen-Album „Torso“ aufgenommen hat. Als sie zu der „all the children are insane“-Passage kommt, wechselt sie explosionsartig von zerbrechlichem Ausdruck zu fiebrigem Gebrüll, macht den angesprochenen Wahnsinn bis in die Knochen spürbar.

Immer wieder kommen in der Folge diese überfallsartigen Wechsel von zart zu wuchtig, von leise zu laut, von verletzlich zu wütend vor. Aber das allein ist bei Weitem nicht der einzige Grund dafür, dass dieses Konzert großartig ist.

Die 34-Jährige schafft es wie keine andere heimische Künstlerin, diese Momente – und alle dazwischen – mit dichter Atmosphäre aufzuladen. Es wirkt, als würde sie mit irgendeinem magischen Kniff ihre intensivsten Gefühle mitsamt den Tönen ihres Klaviers und dem unverwechselbaren Timbre ihrer Stimme in den Saal schießen.

Gebet

Das Programm baut vornehmlich auf den Songs von „Torso“ auf. Ein Höhepunkt unter vielen ist dabei das melancholische „Born To Loose“, im Original von Shirley Bassey. Ein anderer „God Yu Tekem Laef Blong Mi“ aus dem Filmsoundtrack von „The Thin Red Line“ in Pidgin-Englisch, das in Papua Neuguinea Guinea gesprochen wird.

Bis jetzt ist Plaschg, die mit einer Sozialphobie kämpft, schräg am Klavier gesessen, weit weniger dem Publikum zugewandt als den Musikern hinten auf der Bühne. Jetzt kommt einer von ihnen zu ihr nach vor, um das Harmonium zu spielen, und sie dreht – wohl aus Unsicherheit bei dem extrem hohen Lied – dem Auditorium ganz den Rücken zu. Das macht das vertonte Gebet aber nur noch eindringlicher.

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In die Reihe der Coverversionen mischt Plaschg eigene Songs wie „Safe With Me“, das versöhnliche „Italy“ oder „Vater“, in dem sie sich wünscht, eine Made zu sein, um dem verstorbenen Vater doch noch nahe sein und die Pein und den Graus des Verlustes aushalten zu können.

Effekte

Großen Anteil an der Faszination von Soap&Skin-Konzerten hat die „unglaubliche Band“, die Plaschg jetzt vorstellt. Das sechsköpfige Ensemble spielt Geige und Cello, Posaune und Tuba, Klarinette und Trompete und noch mehr. Dank der raffinierten Effekte, die es diesen Instrumenten entlocken kann, kommen die Elektronik-Sounds, die Plaschg bei den Studioaufnahmen mancher ihrer Songs eingesetzt hat, auf der Bühne eher selten von Einspielungen von der Computerfestplatte. Der Fall ist das bei „Girl Loves Me“ von David Bowie und „Mawal Jamar“ von Omar Souleyman.

Mittlerweile ist Plaschg aufgestanden, tanzt – jetzt dem Publikum ganz zugewandt – genauso ausdrucksvoll, wie sie singt.

In der Zugabe stimmt sie „Pale Blue Eyes“ von Velvet Underground an, nützt das epische Instrumental-Ende, um Blumen im Publikum zu verteilen, und setzt nach fast zwei Stunden mit „Boat Turns Toward The Port“ einen fulminanten Schlusspunkt und ein beeindruckendes Konzert.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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