Song Contest: Antisemitismus und Debatte um Israel-Boykott

Kultur

Es hat diesmal etwas länger gedauert. Erst Mitte April wagte Spanien den Vorstoß und forderte eine Debatte um den Ausschluss Israels vom Eurovision Song Contest (ESC). Damals stieg keiner darauf ein. Bis an diesem Wochenende 72 ehemalige Teilnehmer einen offenen Brief veröffentlichten, in dem sie sich für eine solche Verbannung aussprachen. Prominentester Unterzeichner des Schreibens war der Schweizer Vorjahressieger Nemo. „Die Handlungen Israels stehen in grundlegendem Widerspruch zu den Werten, die der Eurovision Song Contest zu vertreten vorgibt: Frieden, Einheit und Achtung der Menschenrechte“, so Nemo.

Keine per se antisemitische Aussage, aber in Zeiten wie diesen Öl ins Feuer von Judenhassern. Schon zuvor hatte Israels nationaler Sicherheitsrat (wie im Vorjahr) vor Reisen zum ESC gewarnt, Israelis sollten aus Sicherheitsgründen vom Zeigen jüdischer Symbole absehen.

Hals-ab-Geste bei ESC-Parade

Und dann ging es wieder ganz schnell: Bereits die Parade der Singbewerberinnen und -bewerber an diesem Wochenende wurde von einem antisemitischen Vorfall überschattet. Ein Demonstrant mit Palästina-Flagge wurde gefilmt, wie er der israelischen Kandidatin Yuval Raphael gegenüber eine unmissverständliche Geste gezeigt hat: Er fuhr mit dem Finger quer über den Hals. Der israelische TV-Sender KAN erstattete Anzeige bei der Schweizer Polizei.

Mit der Sängerin Yuval Raphael hat Israel freilich eine symbolische Botschaft der Resilienz nach Basel geschickt. Die 24-Jährige ist eine Überlebende des Terrorangriffs der Hamas, der den Gazakrieg ausgelöst hat. Sie hat sich beim Nova-Festival, bei dem am 7. Oktober 2023 364 Menschen ermordet wurden, in einem Bunker unter Leichen versteckt und totgestellt. Immer wieder kamen die Terroristen zurück, feuerten auf die leblosen Körper und warfen Granaten.

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Die Ausgangslage weckt nun doch wieder unschöne Erinnerungen an den Song Contest des vergangenen Jahres. Damals hatte die veranstaltende EBU (European Broadcasting Union) die Kontrolle über das Event teilweise verloren. Die israelische Kandidatin Eden Golan wurde von Mitbewerbern regelrecht gemobbt, auch Sieger Nemo zeigte sich da, im Gefolge der besonders aggressiven irischen Teilnehmerin Bambie Thug, nicht von seiner besten Seite. Einer der größten Kritiker Golans, der Niederländer Joost Klein, wurde disqualifiziert, allerdings wegen einer Anzeige, die nichts mit der Israelin zu tun hatte. Das führte aber zu einer weiteren Aufheizung der Stimmung in Malmö. Golan sang ihr Lied beim Finale in einem Pfeif- und Buh-Orkan (und wurde Fünfte).

Teilnahme am Eurovision Song Contest 2025 nur mit Fairplay-Gelöbnis

Die EBU hat im Nachklang Konsequenzen gezogen: Ab sofort müssen ESC-Kontestanten ein Fairplay-Gelöbnis ablegen, ähnlich wie Sportlerinnen und Sportler sich beim olympischen Eid zu fairem Verhalten verpflichten. Es ist ein verzweifelter Versuch, die Illusion des „unpolitischen“ ESC wiederherzustellen: Beim Song Contest solle wie bei Olympia Neutralität herrschen, wenn Teilnehmende ihre Überzeugungen zur Schau stellten, „die einen auf der einen Seite, die anderen auf der anderen Seite, dann wird der ESC in drei bis fünf Jahren einfach nicht mehr funktionieren“, sagte ESC-Funktionär Bakel Walden.

Das Motto des ESC in Basel ist wie im Vorjahr „United by Music“. Damals wurde es zur Farce – vielleicht gelingt es ja heuer.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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