Staatsballett zeigt „Pathétique“: Ein fulminanter Abend zum Abschied

Kultur

Von Silvia Kargl

Mit großem Jubel und tosendem Applaus wurden Martin Schläpfer und das Wiener Staatsballett bei Schläpfers letzter Premiere als Ballettdirektor in der Wiener Staatsoper bedacht. Der Abend zeigt, dass es für einen Choreografen an der Spitze einige Spielzeiten braucht, um ein Ensemble aufzubauen, das gleichermaßen seine Handschrift wie auch ein breit gefächertes Ballettrepertoire zu tanzen vermag. Schläpfer lässt offen, ob er nach einer Auszeit von unbestimmter Dauer überhaupt wieder choreografieren wird. Die neue „Pathétique“ als choreografisches Vermächtnis? Viel mehr noch hat sie das Zeug zum Anstoß fürs Weitermachen! Es gibt weltweit nicht so viele Choreografen, die auf derart hohem Niveau solche Ballette schaffen.Auch die Zusammenstellung des dreiteiligen Ballettabends trägt nahezu den Charakter eines künstlerischen Bekenntnisses. Am Beginn erwies sich George Balanchines „Divertimento Nr. 15“ zu Mozarts Divertimento Nr. 15 als ein feines, klares und dynamisches Stück mit vorwiegend neoklassischem Vokabular. Doch an manchen Stellen wird dieses aufgebrochen, sei es durch Hüftschwünge, virtuose Zwischenschritte, ausgedehnte Balancen und spezifische Port de bras.Wiener Staatsballett/Ashley Taylor Karinskas elegante Kostüme sind ebenso an der Klassik orientiert, doch auch sie weisen sanfte Anpassungen an die Entstehungszeit des Stücks 1956 auf. Wie eine Perlenkette reihen sich Variationen und Pas de deux aneinander, in denen Olga Esina, Hyo-Jung Kang, Timoor Afshar, Davide Dato, Masayu Kimoto und andere ihr technisches Können unter Beweis stellen.Nur zwei Jahre später entstand ebenso in New York Merce Cunninghams „Summerspace“. Zum ersten Mal hält mit diesem ikonischen Stück der Tanzgeschichte eine Choreografie Cunninghams Einzug ins Ballettrepertoire der Staatsoper. Erstaunlich, welche Wirkung das wiederum nicht vordergründig virtuos angelegte Werk heute ausübt. Es erlaubt für einige Minuten das Abtauchen in eine Welt der Kunst, in der es bewegte Körper, ihre Ausrichtung im Raum, um die Emanzipation des Tanzes von der Musik geht. Wiener Staatsballett/Ashley Taylor„Ixion“ von Morton Feldman für zwei Klaviere wird live von Johannes Piirto und Milica Zakić gespielt. Wiederum eine eigene Ebene vermittelt die Ausstattung Robert Rauschenbergs. Sein pointillistischer Stil verbindet den Hintergrundprospekt mit den Ganzkörpertrikots zu den titelgebenden Sommerinspirationen. Auch hier wird ausgezeichnet getanzt, mit dem Staatsballett-Comeback der großartigen Rebecca Horner nach einem Auslandsengagement und der Geburt ihres dritten Kindes.Zum Höhepunkt des Abends gerät Martin Schläpfers „Pathétique“ zu Tschaikowskis Sechster Sinfonie (musikalische Leitung: Christoph Altstaedt). Wie Balanchine und Cunningham geht auch Schläpfer vom klassischen Ballettvokabular aus. Wunderschön, wenn, ähnlich wie bei Balanchine, klassische Bewegungen aufgegriffen und weitergeführt werden. Ähnlich ist auch die Kraft der musikalischen Umsetzung, ganz anders die Handschrift. Wiener Staatsballett/Ashley TaylorFans des klassischen Balletts werden sich freuen, wenn Sequenzen aus „Schwanensee“ und „Dornröschen“ rätselhaft aus dem Nichts auftauchen. „Schwäne“ und der „Blaue Vogel“ aus „Dornröschen“, Tierisches also, das in variantenreicher Ausführung eines der zentralen Motive der Choreografie wird, hier motivisch wiederum an Cunningham erinnernd. Die Natur spiegelt sich auch in Thomas Mikas Bühnenbild wider, das abwechselnd wie eine Unterwasserlandschaft anmutet, an Spitzen von Eisbergen oder Bäumen.Wiener Staatsballett/Ashley TaylorDoch es gibt so viel mehr in diesem einstündigen Ballett zu entdecken, zahlreiche kleine Geschichten, die sich zu einem Großen fügen. Und das Große wiederum ist voll von Reflexionen des Zeitgeschehens, sei es …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

(Visited 2 times, 1 visits today)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.