Tarek Leitner und seine Kunstaktion „Die große Pose“ in Bad Goisern

Kultur

Das Projekt stellt die Frage nach Identität und Authentizität und rückt die Bevölkerung in den Mittelpunkt. Die Grundlage dafür liefert ein Archiv-Schatz

Das Salzkammergut dies- und jenseits des Loser ist zumindest seit Kaisers Zeiten ein Sehnsuchtsort. Heute strömen Jahr für Jahr Hunderttausende, ob aus Wien, München oder Tokio, in die Region auf der Suche nach dem Schönen und Echten. Womit auch Fragen nach Identität und Authentizität im Salzkammergut einhergehen.

Den Weg zu den Antworten darauf weist nun „Die große Pose“, eine Kunstaktion im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt. Tarek Leitner, sonst als Journalist und „ZiB“-Moderator bekannt, affichiert auf der Marktstraße durch den Ort schrittweise 70 großformatige Passbilder. Sie zeigen Bewohner Bad Goiserns, wie sie vor einer Generation gelebt haben.

Auf der anderen Straßenseite gegenübergestellt werden, ebenfalls nach und nach ergänzt und auch im Großformat, Besucherinnen und Besucher der Europäischen Kulturhauptstadt-Region, die im Pop-up-Fotoatelier im ehemaligen Supermarkt ihre Pose einnehmen. So verläuft schließlich bis zum 28. Juni mitten durch Bad Goisern ein Boulevard der „Großen Pose“. „Das Ergebnis wird zeigen, wie Veränderung stattgefunden hat.“

Tarek Leitner

70 Passfotos aus den 1980er- und 1990er-Jahren, die ihm repräsentativ und aussagekräftig erschienen, hat Tarek Leitner ausgewählt: „Sie geben uns ein Bild davon, wie man gesehen werden wollte.“

Auf die Idee gekommen ist Leitner, „weil mir ein Schatz in die Hände gefallen ist.“ Ein Freund habe das örtliche Foto-Atelier seiner Vorfahren aufgelöst. „Das sind zigtausende Negative und Glasplatten, das visuelle Gedächtnis der Gemeinde Bad Goisern. Ich hatte das zwanghafte Interesse, sie zu retten.“

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Abbild der Gesellschaft über Jahrzehnte

Das Archiv beinhaltet u. a. Landschaftsaufnahmen, Bilder von Festlichkeiten wie Gamsjägertage und Jahrgangstreffen – und eben alle Leute, die ein Porträt oder Passbild haben machen lassen. Leitner: „In diesem Fundus ist über Jahrzehnte hinweg die ganze Gesellschaft abgebildet.“

70 Passfotos aus den 1980er- und 1990er-Jahren, die ihm repräsentativ und aussagekräftig erschienen, hat er ausgewählt: „Sie geben uns ein Bild davon, wie man gesehen werden wollte.“ Man habe sich damals, vor der digitalen Fotografie, überlegt, was man anzieht, nahezu jeder sei davor zum Friseur – das sehe man auch. „Vor dem Fotografen hat man dann Haltung eingenommen und jeder hat ein Bild von sich abgegeben.“

Leitner „möchte im Rahmen dieses Projekts mit Bevölkerung und Besuchern auch einige Fragen verhandeln, die uns in der laufenden identitätspolitischen Debatte so wichtig erscheinen.“ Auch die Leitkultur-Frage spiele hier hinein. „Um mitzureden, muss niemand die Begrifflichkeiten des deutschen Hoch-Feuilletons kennen.“ Die hält Leitner nämlich für ausgrenzend, statt inklusiv.

Identitäts- und Machtfragen

Die Verortung einer solchen Diskussion im Salzkammergut sei naheliegend, weil sie hier durch den aufkommenden Tourismus „als eine der ersten Regionen schon vor zweihundert Jahre begonnen hat“, erzählt Leitner. „Es wurde nicht immer als Entgegenkommen oder als Interesse an der eigenen Kultur begriffen, wenn der Wiener die Lederhosen oder die Wienerin das Dirndl angezogen hat. Hinter diesem Zugang steht auch eine Machtfrage.“

Tarek Leitner

Die Bilder sind vor einer Generation entstanden und ein Blickfang. Ihnen gegenübergestellt werden nach und nach Großformate von Besucherinnen und Besuchern der Europäischen Kulturhauptstadt-Region

Auch darüber wird Leitner am Sonntag (16 Uhr) mit Hubert von Goisern reden sowie über sein „von“. „Er hat es gewählt, um …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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