Theater Drachengasse: Furiose Aufforderung zum Wütend-Sein

Kultur

Anke Stellings „Schäfchen im Trockenen“ – dramatisiert im Theater Drachengasse

Von: Susanne Zobl

Ein einziger Satz im Tagebuch ist alles, was Resi von ihrer Mutter geblieben ist: „Wieder viel zu viel gegessen.“ Anlass für die Tochter, selbst ihre Diäten zu reflektieren. Doch ihre Gedanken gehen tiefer, schweifen zurück in ihre Kindheit, zum 60-Jahre-West-PVC-Boden in der Wohnung ihrer Eltern, zum Schrubben der Mutter und zu ihrem Schweigen über die oft unerträglichen Zustände und über das, was ihre Tochter zu erwarten hat.

Resi ist die zentrale Figur in Anke Stellings 2019 mit dem Leipziger Buchpreis ausgezeichnetem Roman „Schäfchen im Trockenen“. Isabella Sedlak und Anna Gschnitzer haben aus dem furiosen Text für das Theater Drachengasse eine Fassung für vier Schauspielerinnen geschaffen. Resi, Mutter von vier Kindern, ist Schriftstellerin und Partnerin eines Künstlers. Wie ihre Schöpferin lebt sie im Berliner Viertel Prenzlauer Berg in der Wohnung eines Freundes, weil sie in der Nähe ihrer Freundinnen bleiben will. Sie schreibt einen autobiografischen Roman über eine Mutter, die mit dem Wohlstand ihrer Freundinnen nicht mithalten kann. Ihre Wut, ihre Verzweiflung lässt sie zur Literatur werden, auch ihre Freunde. Das nimmt man ihr übel, der Freund kündigt ihr den günstigen Mietvertrag.

Stelling erzählt vom heutigen Klassenkampf, von der Aussichtslosigkeit einer immer mehr verschwindenden Mittelschicht. Sedlak vermittelt das in ihrer reduzierten Regie. Sie teilt den Text auf ihr exzellentes Ensemble (Barča Baxant, Melina von Gagern, Edwarda Gurrola, Bettina Schwarz) auf. Alle sind Resi, sprechen aber auch andere Figuren. Mit Songs von Bruce Springsteen und anderen Hits aus den 80ern, die in den Text verwoben sind, schreien sie ihre Wut heraus. Am Ende bleibt die Hoffnung – und ein Quantum Ratlosigkeit. In die Begeisterung des Premierenpublikums kann man nur einstimmen.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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