Neue Bücher über Nobelpreisträger Thomas Mann berichten von seinem dreimaligen Sitzenbleiben und der Liebe zur tiefen Stimme seiner Frau
Thomas Mann hatte früh einen Weg gefunden, von seinen Lebensgeheimnissen zu sprechen, ohne sich zu offenbaren. Wie Tonio Kröger in der gleichnamigen Novelle sehe er die Menschen „hinter einer großen Fensterscheibe tanzen“, er selbst bleibe Beobachter, immer in seiner „Welt der Künstlichkeit und Ironie“. Und damit meinte der latent homosexuelle Schriftsteller nicht nur das Maskenspiel um seine sexuelle Disposition.
„Seien Sie meine Erlöserin vom falschen Leben!“, flehte er die zwanzigjährige Katia Pringsheim an und man versteht, dass die Millionärstochter zu diesem merkwürdigen jungen Mann zunächst keinen Draht fand. Zumal er wiederum keinen Draht zu einer Welt hatte, die sie faszinierte: der Mathematik. Mit Vater Pringsheim, einem Mathematikprofessor, entspann sich gar ein Disput um den für den jungen „Tommy“ so wichtigen Philosophen Schopenhauer, der die Mathematik als solches ablehnte, was für den Mehrfach-Sitzenbleiber Thomas Mann eine Genugtuung, für den künftigen Schwiegervater eine Provokation war.
Heinrich Breloer beschreibt in der Romanbiografie „Ein tadelloses Glück“ die frühen Jahre Thomas Manns und sein letztlich erfolgreiches Werben um die junge Kaufmannstochter Katia, die ihm seine Entfaltung als Schriftsteller ermöglichte.
Breloer hat sich vor allem als Regisseur einen Namen gemacht, unter anderem 2008 mit der Roman-Verfilmung „Die Buddenbrooks“ sowie 2001 mit dem TV-Mehrteiler „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“. In Sachen Recherche kann man diesem faktengestützten Roman nichts vorwerfen. Die Ausführung allerdings ist stellenweise zu schlicht geraten. Die vielen Hinweise darauf, dass der vor allem an Männern interessierte Autor Gefallen an Katia gefunden habe, weil sie so burschikos gewesen sein soll, wirken nach Küchenpsychologie, Nebenfiguren wie der gütige Hausdiener Ignaz wiederum betulich und unnötig: Die Figur Thomas Mann allein wäre spannend genug.
Breloers Buch ist nur eine von vielen Neuerscheinungen und Neuauflagen von und über Thomas Mann, die bereits erschienen sind oder im Laufe des Jahres 2025, in dem sich der Geburtstag des bedeutendsten deutschen Schriftstellers des 20. Jahrhunderts zum 150. Mal jährt, erscheinen werden.
So hat etwa Manns Stammverlag S. Fischer mit der Zitatensammlung „Mit Thomas Mann durchs Jahr“ eine sympathisch niederschwellige Annäherung an den Nobelpreisträger herausgegeben.
Originell ist auch Norman Ohlers Roman mit dem ironisch-reißerischen Titel „Der Zauberberg, die ganze Geschichte“: Ein Autor fährt samt Teenie-Tochter nach Davos, was er sich eigentlich nicht leisten kann, wohnt in einem alten Sanatorium, raucht Joints und scheitert, ähnlich wie Hans Castorp bei Mann, am persönlichen Entwicklungsprozess.
Wer aber wirklich in das Mann-Universum eintauchen will, dem sei die bereits 2016 erschienene Briefsammlung „Die Manns. Geschichte einer Familie“ ans Herz gelegt. Sie bietet unglaubliche Einblicke in die Untiefen dieses großen Mannes, der von seinen Kindern „Zauberer“ und von seiner Frau „Reh“ genannt wurde.
Cover
Heinrich Breloer:
„Ein tadelloses Glück“
DVA.
464 Seiten.
27,50 Euro
Source:: Kurier.at – Kultur