
Je rauer die Welt da draußen wird, desto intensiver wird das Bewusstsein gesellschaftlicher Verwundbarkeit. Aber, das lehrt die Lektüre von „Twist“, wohl immer noch nicht intensiv genug.
Man kann nämlich die Datenwelt, in der wir leben, mit noch so herrlich luftigen Namen umgeben: All die Fotos und eMails und Hasskommentare, die wir einander schicken, schweben nicht in einer unkörperlichen „Wolke“, sie fahren auch nicht auf der – wer erinnert sich? – „Datenautobahn“. Sondern sie rasen als Lichtimpulse durch stellenweise nur gartenschlauchdicke, ungeschützte Kabel auf dem Meeresgrund.
Und ja, diese filigranen, sauteuren Kabel können sabotiert werden, woraufhin in wenigen Stunden die Welt, wie wir sie kennen, zum Erliegen kommt: Ohne Daten läuft längst gar nichts mehr.
Hellsichtig
Colum McCann rührt in seinem neuen Roman an diesem Schmerzenspunkt: Wie fragil diese Unterseekabel und auch die Energieinfrastruktur sind, das weiß man inzwischen, leider, aus den Nachrichten.
In „Twist“ nun umspült McCann diesen unheimlichen Gedanken – Datenleitungen in tiefblauer Dunkelheit, exponiert vor der Natur und den Menschen – mit den menschlichen Untiefen, die ja immer die gefährlicheren sind. Der Roman wird erzählt aus der Sicht eines alternden irischen Journalisten, Anthony Fennell, der – sei verdammt, Medienkrise! – auf der Suche nach einer lukrativen Geschichte auf einem jener Boote anheuert, die gebrochene Unterseekabel reparieren.
Der Boss der Operation, John Conway, wird zur zentralen Figur, ein charismatischer Eigenbrötler, ungreifbar und anziehend zugleich, Freitaucher und Grübelnder, knurrig und doch eitel genug, um den Journalisten an sich ranzulassen.
Von Südafrika aus starten sie zu einer Kabelreparatur, und die Verortung derartiger Leitungen wird noch eine große Rolle spielen: Die Internetanbindungen verlaufen nämlich, kein Zufall, entlang der alten kolonialen Handelsrouten.
„Twist“ dreht sich um Verbindungen, um Beziehungsknotenpunkte; Fennell ist ebenso fasziniert von Conway wie von dessen Partnerin, der Schauspielerin Zanele, die Conway verlässt, um in England zu Ruhm zu kommen. Denn, klar, die menschlichen Verbindungen sind ebenso von Licht gefüllt und fragil wie die Unterseekabel; erstere scheinen zugänglicher, doch auch sie haben verheerende Untiefen.
Source:: Kurier.at – Kultur