
Von: Helmut Christian Mayer
Eigentlich haben es ja alle erwartet, dass der neue Intendant der Tiroler Festspiele Erl bald eine sängerische Rolle übernehmen wird. Jetzt ist es soweit, denn Jonas Kaufmann ist in der Titelpartie in Richard Wagners „Parsifal“ zu erleben, der hier passend zum Passionsspielort und zur Osterzeit im Festspielhaus aufgeführt wird.
„Parsifal“ in Erl
Schon beim Vorspiel und auch immer wieder später ist er – wie auch Kundry – im Großformat als Projektion auf einem wehenden, weißen Vorhang mit Bildern des Festspielhauses im Hintergrund zu sehen. Hier dominieren mehrere riesige, abstrakte, weiße Elemente, an keltische Harfen erinnernd, die Bühne (Heike Vollmer). Sie sind verschiebbar und lassen neue Räume entstehen. In Klingsors Zaubergarten werden sie mit Farbspritzern bunt, zum Finale schief oder umgestürzt. Insgesamt eine recht nüchterne Szenerie.
Xiomara Bender
Bis auf Parsifal und Kundry sind alle in zeitlosen Kostümen in Einheitsweiß (Regine Standfuss) gekleidet. Vorne ist ein mit Wasser gefüllter Mini-Pool situiert, in dem Amfortas und Kundry immer wieder ziemlich lange herumplanschen müssen.
Ziemlich nichtssagend ist die finale Schlüsselszene, wenn Parsifal, jetzt auch ganz in Weiß, mit dem Speer zur Erlösung Amfortas hereinspaziert, während ein liegendes Element mühsam hochgezogen wird. Alles wirkt eher zäh und wenig emotional umgesetzt.
Nicht unspannend
Meist wird langsam geschritten – oder gestanden. Passend dazu tönt mit sehr breiten Tempi nicht nur das Vorspiel aus dem Graben. Denn Asher Fisch bevorzugt eine eher langsame Lesart der Partitur. Nicht immer ganz eines Sinnes ist man speziell bei den Bläsereinsätzen. Trotzdem hat der Chefdirigent das Orchester der Festspiele im Griff, er vermag farbige und nicht unspannende Klänge zu erzeugen.
Das Ensemble dankt es ihm mit feinen Gesängen und großer Wortdeutlichkeit: Brindley Sherratt singt den Gurnemanz edel und balsamisch weich. Er steht die lange, anstrengende Partie ohne Ermüdungserscheinungen durch. Jonas Kaufmann im grauen Hoodie singt den Parsifal stark baritonal gefärbt, mit allen Spitzentönen, und er spielt ihn recht cool. Irene Roberts als Kundry überzeugt mit Expressivität. Die erste Begegnung der beiden ist sehr berührend inszeniert.
Michael Nagy ist ein eindringlich leidender Amfortas mit hoher Gesangskultur im weißen Rollstuhl. Georg Nigl ist ein sehr präsenter und extrem böser Klingsor im Frauenkleid mit prägnanter Durchschlagskraft, Clive Bayley ein dunkel gefärbter Titurel. Auch die vielen kleineren Partien, insbesondere die betörend schön singenden Blumenmädchen, mit Blumenspeeren bewaffnet, erweisen sich als gut besetzt.
In die Gegenwart
Homogen und stimmgewaltig hört man den hauseigenen Chor. Zum Finale öffnet sich die Bühne weit nach hinten, der Chor erscheint nun in Straßenkleidung und schreitet langsam singend von der Bühne die Stufen hinauf bis in die obersten Publikumsreihen, während der Orchestergraben ganz hochgefahren wird: Symbolisch offenbar eine Rückkehr aus der Geschichte heraus in die Gegenwart.
Stehende Ovationen!
Source:: Kurier.at – Kultur