
Eine Entführung und viele Traumata. Satire? Ja, aber nicht nur
Long Island, 1980: der schwerreiche jüdische Verpackungsindustrielle Carl Fletcher wird entführt und bleibt für den Rest seines Lebens traumatisiert. Wie der Rest der Familie. Carls Ältester, Nathan, ein ängstlicher Anwalt, schmeißt sein ganzes Geld für Versicherung raus, die Jüngste, Jenny, verschenkt es, aus schlechtem Gewissen. Der Mittlere, Beamer, ist ein drogenabhängiger, erfolgloser Drehbuchautor. Als er ein Kind war, ist seine Mutter mit ihm über den Highway gerast, um Lösegeld für den entführten Vater anzuliefern, der in Wahrheit tagelang geknebelt und gefesselt im Keller der eigenen Firma lag. Beamer war vorher schon gestört, danach aber so richtig. Um von seiner jüdischen Mischpoche wegzukommen, heiratet er eine deutschstämmige Frau und nennt seine Kinder Liesel und Wolfi. Kommentar seiner Mutter: „Du heiratest eine junge Schickse und hast am Ende eine alte Goje“.
Was hätte Opa Fletcher, der den Holocaust knapp überlebte und einst bitterarm in die USA kam, dazu gesagt, dass seine Nachkommen solche Nichtsnutze werden?
Taffy Brodesser-Akner, 1975 in New York City geboren, erzählt in ihrem zweiten Roman „Die Fletchers von Long Island“, eine rasante, satirische Familiengeschichte mit viel Tiefgang. Für Glück und Sicherheit, so das Fazit, gibt’s keine Vorauszahlung.
Cover
Taffy Brodesser-Akner:
„Die Fletchers von Long Island“
Ü.: Sophie Zeitz. Eichborn.
576 S. 26,50 €
Source:: Kurier.at – Kultur