Warum haben es neue Dirigenten neben den Platzhirschen so schwer?

Kultur

Geschätztes Kulturamt!

Es ist zwar noch ein paar Tage hin, aber ich fürchte mich jetzt schon vor diesem Neujahrskonzert. Wie heißt nochmal der Dirigent? Yannick Nezet-Irgendwas? O mein Gott, was soll denn das werden? Würden Sie sich bitte dafür stark machen, dass wieder Riccardo Muti, Christian Thielemann oder ein anderer Kapellmeister von Rang bei diesem Anlass am Pult der Wiener Philharmoniker steht? Wird doch nicht zu viel verlangt sein, dieser kleine Antrag.

Mit besten Grüßen, M. B.

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Sehr geehrter M. B.,

vielen Dank für Ihr Schreiben und für Ihren Antrag, dessen Einlangen wir gerne bestätigen (Geschäftszahl 31/2025), der jedoch in die Rundablage wandern muss, da wir aus mehreren Gründen ihn abzulehnen uns genötigt sehen.

Schon das Ansinnen, den Wiener Philharmonikern in irgendeiner Weise Vorgaben machen zu wollen, ist ein Sakrileg. Welche Folgen das haben kann, wissen nicht nur große Künstler, sondern unzählige Operndirektoren. Lassen wir also allein für den Selbstschutz die Finger davon.

Wir im Kulturamt können auch nicht nachvollziehen, woraus Ihre Skepsis Yannick Nezet-Seguin (so heißt er!) gegenüber resultiert. Wir stehen nicht an, notfalls per öffentlichem Aushang zu dekretieren, dass er einer der wichtigsten Dirigenten unserer Zeit ist, selbst wenn er einer breiten austriakischen Öffentlichkeit nur eingeschränkt bekannt sei. Herr Nezet-Seguin ist Musikdirektor der Metropolitan Opera New York, des größten regelmäßig spielenden Operntheaters, hat Grammys gewonnen und war für die Einspielung der Musik zum Bernstein-Film „Maestro“ oscarnominiert. Einem Publikum jenseits der Konzertsäle ist er vielleicht dadurch aufgefallen, dass er sich auf Instagram zumindest für Klassikverhältnisse durchaus offen queer inszeniert. Unser Kollegium hat jedenfalls Sympathie für diese Entscheidung des Orchesters und könnte sich einen Erfolg vorstellen, auch weil Herr YNS das schwergewichtige Repertoire (Wagner etc.) gleichermaßen beherrscht wie das humorige.

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Was wir uns allerdings durchaus fragen: Warum es heute für Dirigenten grundsätzlich so kompliziert ist, sich neben den Platzhirschen zu etablieren. Warum Jüngere (nicht YNS, der ist eh schon 50) oft enorm gehypt werden, um ebenso rasch zu verglühen. Ob daran die Medien, das Publikum oder die Orchester schuld sind. Das ist ebenso spannend wie die Frage, wann eine Frau beim NJK am Pult steht. Das wird schon, vielleicht 2039 zum 100er.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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