
Vergangene Woche im Kongress in Washington, diese Woche bei Kaffeebauern in Indonesien: Der Reiseplan von Bernd Lange spiegelt ziemlich genau wider, was die EU derzeit handelspolitisch umtreibt. Als Chef des Handelsausschusses im EU-Parlament muss der Deutsche die Trump-Regierung von weiteren Zoll-Eskapaden abbringen und im gleichen Tempo Europas Wirtschaft neue Partnerschaften in Südostasien sichern. Indonesien, das Schwellenland mit seiner wachsenden Agrarindustrie und Rohstoffen wie Nickel ist da einer der aussichtsreichsten Kandidaten. Ein Handelsabkommen mit der EU ist beinahe ausgehandelt. Mit Indien treibt Brüssel die lange eingeschlafenen Gespräche voran.
Österreich denkt um
Im Brennpunkt aller handelspolitischen Bemühungen steht das Staatenbündnis Mercosur in Südamerika: Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay. Mehr als 20 Jahre dauert das Tauziehen zwischen der EU und Mercosur um ein Handelsabkommen inzwischen. Europas exportorientierte Wirtschaft drängt darauf, diesen riesigen Markt endlich uneingeschränkt zu öffnen, Europas Landwirtschaft sorgt sich dagegen um übermächtige Konkurrenz auf dem Agrarsektor, die – so warnen Umweltschützer – noch dazu Raubbau an der Natur betreibt, Stichwort Abholzung des Regenwaldes.
Massiver Widerstand kam lange aus Frankreich, aber auch aus Österreich. Inzwischen aber fängt man auch in Paris und Wien an, umzudenken. Frankreich Handelsminister Laurent Saint-Martin spricht von einem „Weckruf, sich um Handelsabkommen zu kümmern“ und erwähnt dabei als erstes Mercosur, auch wenn er das Abkommen noch als fehlerhaft betrachtet. Österreich Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer spricht sich ohnehin uneingeschränkt dafür aus, das Abkommen abzuschließen, auch wenn es ein aufrechtes „Nein“ des Nationalrats dazu gibt.
„Mercosur ist ohne Zweifel das wichtigste Abkommen, um das es derzeit geht“, analysiert der Handelsexperte Niclas Poitiers von der renommierten Brüsseler Denkfabrik Bruegel die aktuellen Bemühungen der EU: „Nicht nur wegen der Größe dieses Marktes, sondern auch, weil es schlicht ausgehandelt ist und auf dem Tisch liegt.“
Mit Indonesien oder Indien dagegen gäbe es noch zahlreiche Hürden zu überwinden. Die grundlegendste: Die beiden Länder schützen ihre Wirtschaft mit massiven Handelsbarrieren. Zugleich fürchtet man Europas strenge Umweltauflagen die eigenen Exporte. Stahl aus Indien wäre schlicht so „schmutzig“, dass ein Export in die EU nur unter massiven Klima-Strafzahlungen möglich wäre. Indonesien wiederum steht im Kreuzfeuer europäischer Umweltschützer wegen seiner Palmöl-Plantagen, für die Regenwald abgeholzt wird. Dinge, die sich in einem Handelsabkommen nur bedingt regeln lassen, meint der Experte, auf dem EU-Markt gebe es aber ohnehin strikte ökologische und soziale Spielregeln.
Kein Ersatz für USA
Den US-Markt aber können all diese Abkommen nicht ersetzen, macht er deutlich: „Die USA sind eines der reichsten Länder der Welt, und den US-Bürger als Konsumenten kann ich daher nicht so einfach ersetzen.“
Handelsabkommen mit Schwellenländern wie Indien oder Indonesien seien vor allem eines: „Eine Maßnahme für die Zukunft.“ Diese Länder und ihre Bürger würden nicht auf ewig arm bleiben. Genau deshalb aber sei es notwendig, jetzt die Zugänge zu diesen Märkten zu regeln. Genau das habe man nämlich mit China verabsäumt, als das noch nicht wirtschaftliche Supermacht von heute war: „Europa ist von China in vielen Bereichen ausgetrickst worden. Diesen Fehler sollten wir nicht wiederholen.“
Source:: Kurier.at – Politik