Überall der gleiche Trend in Europa: Weit rechts stehende Parteien sind bereits fester Bestandteil der Politik. – und sie werden stärker. Der Prototyp des erfolgreichen Populisten: Viktor Orban.
KURIER: Fast jedes europäische Land hat jetzt eine rechtspopulistische oder rechtsextreme Partei. Trotz aller speziellen Bedingungen und Umstände in diesen Ländern haben diese Parteien sicherlich etwas gemeinsam. Was genau?
Endre Borbáth. Seit den 1990er Jahren sehen wir einen wachsenden Stimmenanteil für solche Parteien. Ein Teil der Erklärung liegt im Globalisierungsprozess. Wirtschaften, die früher stärker auf nationaler Basis organisiert waren, haben ihre Produktions- und Lieferketten für den globalen Handel geöffnet. Einige Menschen verlieren dadurch, während andere gewinnen. Diese Gewinner-Verlierer-Dynamik spiegelt sich in der Politik wider. Radikale rechte Parteien sind die politischen Vertreter der Gruppen, die durch diese Transformation verloren haben. Was diese Parteien in verschiedenen Ländern verbindet: Sie positionieren sich sehr stark gegen Einwanderung – und stehen auch der europäischen Integration sehr skeptisch gegenüber. In letzter Zeit wurden zwei weitere Themen in ihr Repertoire aufgenommen: Gender- und LGBTQI-Rechte sowie die Skepsis gegenüber dem Kampf gegen den Klimawandel.
In Österreich haben wir jetzt fast 30 Prozent für die rechtspopulistische FPÖ. Ist das das Limit, oder könnte es noch mehr werden?
Lange Zeit hieß es, diese Parteien seien bei 10 Prozent begrenzt. Dann bei 20 Prozent. Zum Beispiel sagte man in Deutschland, dass eine Partei wie die AfD aufgrund der Geschichte des Faschismus niemals ins Parlament kommen würde.
Was sich nachweislich als falsch erwiesen hat
Sehr schwer zu sagen, ob 30 Prozent das Limit der FPÖ wären. Momentan sehen wir, dass die 28,8 Prozent der FPÖ einer der höchsten Stimmenanteile ist, die Rechtspopulisten jemals in Westeuropa erreicht haben. Aber je normalisierter deren Positionen werden – wie die Anti-Immigrationshaltung oder die Skepsis gegenüber der europäischen Integration –, desto erfolgreicher werden diese Parteien. Es gib keine Regel, die besagt, dass sie nicht noch mächtiger werden können.
Uni Heidelberg
Endre Borbath, Juniorprofessor für Empirisch-Analytische Partizipationsforschung am Institut für Politikwissenschaft der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Zudem ist der gebürtige Ungar Gastwissenschaftler am Zentrum für Zivilgesellschaftsforschung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
Warum wählen so viele junge Leute diese Parteien?
Die Welt, in der junge Menschen aufwachsen, ist stark von diesen Prozessen – der Globalisierung, den offenen Grenzen – geprägt. Sie denken nicht so sehr in den Kategorien, die ältere Generationen politisch sozialisiert haben. Traditionell waren grüne Parteien, die die kosmopolitische, progressive Seite repräsentieren, bei jungen Menschen früher populärer, ebenso wie die radikale Rechte. Sie haben auch weniger Vertrauen in die etablierten politischen Eliten.
Wollen rechte Parteien die Demokratie abschaffen? Ist das ihr Ziel?
Die rechtpopulistischen Parteien, die an die Macht gekommen sind, zum Beispiel in Österreich, kamen oft als Teil von Koalitionen in die Regierung. Teil einer Koalition zu sein, schränkt ihre Möglichkeiten ein, die Demokratie grundlegend zu verändern. Was wir jedoch sehen, ist, dass in Ländern, in denen rechtsnationalistische Parteien ohne Koalitionspartner an die Macht gekommen sind – zum Beispiel Trump in den USA, Viktor Orbán in Ungarn oder die PiS in Polen – diese Parteien die Demokratie tatsächlich verändern. Was bedeutet das? …read more
Source:: Kurier.at – Politik