Chile: Ein „ultrarechtes“ Schreckgespenst ohne Schockwirkung

Politik
CHILE-ELECTION-RUNOFF-VOTE-RESULTS

Jose Antonio Kast (59) hat noch keine politische Entscheidung im Amt getroffen. Er wird ohnehin erst am 11. März nächsten Jahres seine Präsidentschaft in Chile antreten. Und doch wird der klare Wahlgewinner der Präsidentschaftswahlen in Chile (58,2 Prozent) schon jetzt von vielen Medien als „ultrarechts“ einsortiert. 

Im Grunde wird der deutschstämmige Kast, der Sohn eines Wehrmachtssoldaten, der in den 1950er Jahren nach Chile auswanderte, damit als Gesprächspartner aussortiert. Wer den respektvollen und demokratischen Umgang von Wahlsieger Kast und von Jeannette Jara (41,8 Prozent), der unterlegenen kommunistischen Kandidatin des Regierungslagers, am Abend sah, der bekam einen anderen Eindruck. Sogar die katholische Bischofskonferenz des Landes lobte am Abend das würdevolle Verhalten aller Beteiligten: „Glückwünsch Chile“, schrieben die Bischöfe.

Kast ist ein klassischer Law-and-Order-Konservativer. Ein streng gläubiger Katholik, neunfacher Familienvater, wirtschaftsliberal. Er lebt nach den Werten Familie, Glaube, Gesetz. Das reichte in einer chilenischen Gesellschaft, die sich nach stagnierenden Wirtschaftsjahren, nach wachsender Alltagskriminalität und Problemen bei der Integration von Hunderttausenden vor allem aus Venezuela geflohenen Migranten nach Ordnung sehnt. „Ordnung auf der Straße, Ordnung in der Volkswirtschaft und bei den Prioritäten“, seien seine Ziele, sagte Kast am Abend.

APA/AFP/EITAN ABRAMOVICH

Riesige Unterstützung für den Wahlsieger in Chiles Hauptstadt

In den letzten Monaten veränderte sich die politische Landschaft Südamerikas rasant: In Bolivien wurde die Linke nach 20 Jahren an der Macht geradezu marginalisiert, in Argentinien bestätigten die Wähler bei den Präsidentschaftswahlen den Kurs des libertären Präsidenten Javier Milei und nun kommt mit Kast in Chile ein „Ultrarechter“ an die Macht.

  Rebellion: Republikaner legen sich erstmals offen gegen Trump quer

Es gibt von Europa aus kaum Kontakte ins rechte Lager, auch nicht ins Lager der Bolsonaro-Familie, die in Brasilien im nächsten Jahr wieder an die Macht kommen könnte. Die US-Regierung als auch China sind dagegen in der Region glänzend vernetzt: Ob Javier Milei in Argentinien, die neue christdemokratische Regierung in La Paz oder nun Jose Antonio Kast. Trumps Washington strebt mit ihnen die Handelsverträge an, die Europa seit 20 Jahren nicht hinbekommt. #

Der Mercosur-Deal mit der EU wackelt schon wieder

Im schlimmsten Fall könnte es sein, dass die für diese Woche angestrebte Ratifizierung das EU-Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Handelsbündnis Mercosur wieder einmal scheitert. Und das  politisch neuformierte Lithium-Dreieck Argentinien, Bolivien und Chile auf die Idee kommt stattdessen mit den USA und Peking Verträge abzuschließen.

In den sozialen Netzwerken gibt es aber noch einen weiteren Punkt, der sich wie ein roter Faden durch die Niederlagen der Linken in Lateinamerika zieht. Dass sich die kommunistische Kandidatin Jara nicht dazu durchringen konnte, Kuba als eine Diktatur zu definieren und Friedensnobelpreisträgerin Maria Corina Machado als „Putschistin“ bezeichnete, sorgte zwar für Jubel im eigenen Lager. Die Mitte und vor allem viele junge Wähler, wandten sich aber ab von Jara. 

Die Warnungen „Niemals wieder“ der Linken in Lateinamerika mit Blick auf die brutalen rechtsextremen Militärdiktaturen des 20. Jahrhunderts in dessen Fußtapfen sie Kast vermuten,  verpuffen inzwischen wirkungslos. Das liegt vor allem daran, dass im aktuellen 21. Jahrhundert das linksextreme Lager in den Diktaturen Kuba, Venezuela und Nicaragua selbst foltert, mordet und unterdrückt.

…read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

(Visited 2 times, 2 visits today)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.