Christoph Badelt: „Wahlkampf hatte mit der Realität nichts zu tun“

Politik

Österreich steckt in einer massiven Budgetkrise. Wie Fiskalratspräsident und Ökonom Badelt die Lage bewertet – und wo er Sparpotenzial sieht.

Die neuen Budget-Prognosen von WIFO/IHS zeigen: Fiskalratspräsident Christoph Badelt hatte recht. Sein Gremium prognostizierte Österreich schon im April ein Defizit von 3,4 % des BIP. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) meinte damals, dass „alle Wirtschaftsforscher außer Badelt“ Österreich noch unter 3 % sehen würden. Also unter jenem Wert, den wir erreichen müssten, um die EU-Maastricht-Kriterien einzuhalten. Was Badelt dazu sagt – und wie es nun budgetär und auf EU-Ebene weitergeht.

KURIER: Zur Budgetprognose: Glauben Sie, hat Ihnen das Finanzministerium (BMF) im Frühjahr wider besseres Wissen widersprochen?

Christoph Badelt: Wir haben damals mehrfach versucht, unsere Kalkulationen mit dem Finanzministerium zu vergleichen und haben nie verstanden, wie sie zu den Ergebnissen gekommen sind. Ein Beispiel: Das Finanzministerium hatte damals die Länder und Gemeinden mit einem positiven Saldo in das gesamtstaatliche Konto hineingerechnet. Wir sind schon damals davon ausgegangen, dass es eher ein negativer Saldo sein wird.

Das BMF rechnet nun auch mit einem Defizit von 3,3 %, WIFO/IHS mit 3,7 %. Was schätzt der Fiskalrat?

Wir werden im November noch einmal eine eigene Prognose machen. Österreich wird sicher jenseits der 3,5 % liegen. Die Wirtschaftslage hat sich drastisch verändert und eine Reduktion der Wachstumsrate zieht automatisch auch eine Erhöhung des Budgetdefizits nach sich.

Die neuen EU-Fiskalregeln schreiben Österreich für die kommenden vier Jahre Einsparungen vor. Um welche Summen geht es dabei?

Österreich muss den Schuldenstand senken. Die EU-Kommission hat deshalb im Sommer den Entwurf eines Referenzpfades übermittelt. Dieser würde zu einem jährlichen Einsparungserfordernis von etwa einem halben Prozent des BIP führen. Das wären rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr. Im November wird die EU-Kommission ihre Herbst-Prognose vorlegen. Sollte die Kommission auch zum Schluss kommen, dass sich Österreichs Defizit gegenüber dem Juni verschlechtert hat, wird sie auch den Referenzpfad verschärfen. Ich rechne damit, dass der Pfad ein noch größeres Einsparungsvolumen beinhalten und deutlich über 2,5 Milliarden liegen wird.

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Der Referenzpfad, den Österreich von der EU-Kommission erhalten hat, gilt laut Budgetdienst nur für die Netto-Ausgaben. Heißt das, dass Österreich, unabhängig von den Einnahmen, grundsätzlich Ausgaben einsparen muss?

Rein von der Diktion her könnte man den Eindruck bekommen, es geht nur um Ausgabenreduktionen. Das stimmt aber nicht. Die EU-Staaten dürfen auch durch diskretionäre Maßnahmen auf der Einnahmenseite Ihren Spielraum auf der Ausgabenseite erhöhen.

Der Referenzpfad muss prinzipiell bis 30. April an die EU-Kommission übermittelt werden. Welche Konsequenzen drohen Österreich, wenn die kommende Bundesregierung auf die EU-Fiskalregeln pfeift?

Sollte Österreich theoretisch tatsächlich keinen Referenzpfad übermitteln, würde schlicht jener Pfad gelten, den die EU-Kommission festlegt.

Was droht uns bei einem gröberen Verstoß gegen die EU-Fiskalregeln und einem Defizitverfahren?

Es drohen uns mehr oder weniger von der Kommission durchgesetzte Spar-Forderungen. Wenn wir diese nicht einhalten, würden uns theoretisch Strafzahlungen drohen. In Wahrheit ist das aber nie passiert. Wir sind ja bereits deutlich über dem Maastricht-Defizit und es gibt EU-Staaten mit noch massiveren, budgetären Schwierigkeiten. Ich bin selbst neugierig, was tatsächlich geschieht, wenn man die neuen vorgegebenen Sparpfade der EU-Fiskalregeln nicht einhält. Sanktionen wie Strafzahlungen stürzen ein Land ja in noch größere Budgetschwierigkeiten.

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Source:: Kurier.at – Politik

      

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