Angriffe auf die Energieversorgung, fehlendes Geld und psychische Belastungen: Die Ukrainer wollen dennoch weiter durchhalten.
In Krisen braucht es Symbole. Und zu einem solchen kann auch ein einfacher Küchenschrank werden: Borodjanka, 2022, eine Rakete schlägt ein und richtet absolute Verwüstung an.
Einzig ein Küchenschrank hängt an dem spärlichen Rest einer Mauer eines zerbombten Hauses. Die Teller noch fein säuberlich eingeräumt, alle Speisen an ihrem angestammten Platz. Für die Ukrainer wird diese statische Unmöglichkeit zum Zeichen für ihre eigene Widerstandsfähigkeit. Ein Bild, mit dem Spruch „Stark wie ein Küchenschrank“ versehen, geht viral.
Auch diesen Winter, es ist das dritte Weihnachten seit der russischen Invasion im Februar 2022, erzählen die Ukrainerinnen und Ukrainer von diesem Küchenschrank.
Selbst wenn sie unter Tränen von Vertreibung und Tod berichten, entlockt man allen ein Lächeln, sobald die Sprache auf ihn kommt.
Dessen beschworene Widerstandsfähigkeit haben die Menschen bitternötig. Russland nutzt den Winter als Waffe, Angriffe auf die Energieinfrastruktur beinträchtigen die Stromversorgung. Das Geld für Reparaturen oder Sozialleistungen fehlt.
National Memorial to the Heavenly Hundred Heroes and Revolution of Dignity Museum, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons
Der widerstandsfähige Küchenschrank blieb bei einem Bombenangriff unversehrt.
Angriffe auf Kinder
Hinzu kommen Attacken, die alle in ihren Grundfesten erschüttern – wie jener auf ein Kinderkrankenhaus in Kiew diesen Juli. Eines der Häuser wurde praktisch dem Erdboden gleichgemacht. „Früher habe ich mich immer sicher gefühlt, wenn ich hier arbeiten war“, sagt Daria zum KURIER, sie arbeitet in der Presseabteilung des Spitals., „Wer attackiert schon ein Kinderkrankenhaus?“.
An einen Zufall glaubt man hier nicht, sondern an ein Kriegsverbrechen.
Vollbetrieb im Spital
Die Rakete kam am Montag, um 10.45 Uhr. „Da, wo wir am meisten Kinder betreuen.“ Sterben musste an diesem Tag keines von ihnen, sie wurden rechtzeitig in den Bombenkeller gebracht.
Schwer kranke Kinder, die bei den medizinischen Geräten bleiben mussten, wurden in Gänge geschoben.
Agnes Preusser
Ein Blick auf das zerstörte Kinderspital in Kiew. Die Worte über der Zeichnung bedeuten „Meine Träume“.
Daria hat Fotos und Videos von dem Tag des Angriffs auf ihrem Handy. Zu sehen sind blutverschmierte Ärztekittel, Rauch, Chaos.
Magere Kinder, die aufgrund ihrer Krebsbehandlung keine Haare mehr haben, werden durch die Trümmer getragen.
Und die Gefahr hält an. In der vergangenen Woche gab es jeden Tag Luftalarme, seit Februar 2022 wurden mehr als 50.000 davon gezählt.
Evakuierungen mehrmals täglich
Das Krankenhaus muss oft mehrmals täglich evakuiert werden. Im Gegensatz zum Sommer ist es nun aber klirrend kalt. „Im günstigsten Fall sind die Alarme Psychoterror“, sagt Wiens Caritas-Direktor Klaus Schwertner. „Im schlechtesten Fall bedeuten sie Tote, Verletzte und Leid.“
Im verbliebenen Gebäude des Krankenhauses wurden die zerbrochenen Fenster mit Spanplatten ersetzt. Lichterketten blinken grün, violett und blau – zwar angebracht auf mickrigen Bäumen, dennoch scheint die Verzierung eines auszudrücken: Wir halten weiter durch.
Gestrichene Hilfen
„Wir sind hier exakt wie der unzerstörbare Küchenschrank“, sagt Tanja über ihre Arbeit im Fonds Aspern in Kiew, in dem derzeit zwölf elternlose Kinder (oder solche aus schwierigen Verhältnissen) rund um die Uhr betreut werden. „Wir müssen funktionieren, auch wenn es schwierig ist.“
Seit Anfang des Jahres wird, wie auch von anderen sozialen Einrichtungen, Miete eingehoben. „Das war ein Schock für uns.“
Früher sei auch die Heizung …read more
Source:: Kurier.at – Politik