Das neue Abkommen zwischen Israel und der Hamas ermöglicht die Freilassung von Geiseln und palästinensischen Häftlingen, bleibt jedoch von Unsicherheiten geprägt.
Donnerstagfrüh heulten im Kibbuz NirAm am Sperrzaun zum Gazastreifen wieder Alarmsirenen. Mit neuem Raketenfeuer brachte sich die Hamas in Erinnerung. Die militante islamistische Miliz ist keineswegs am Ende. Ohne ihre Einwilligung wäre das neue Waffenstillstandsabkommen nicht zustande gekommen.
Dessen erste Stufe mit dem Austausch von 33 israelischen Geiseln mit 1.200 von Israel verurteilten Terroristen läuft an diesem Wochenende an. Doch auch die Fortführung des Abkommens mit einem Austausch der verbliebenen 65 Geiseln hängt von der Hamas ab. Wobei die Verhandlungen darüber nicht einmal begonnen haben.
Busse für die freigelassenen Strafgefangenen stehen bereit. In den Krankenhäusern Israels wird die Aufnahme der freigelassenen Geiseln vorbereitet. Doch die weitere Durchführung des Abkommens mit einem zweiten, vielleicht auch dritten Austausch wird im Abkommen nur als Zielvorgabe erwähnt. Ohne genaue Wegbeschreibung.
„Es zerreißt mich“
Darüber soll erst nach 16 Tagen verhandelt werden. Ab Sonntag sollen alle paar Tage drei Geiseln freikommen. Jeder Schritt ist immer wieder gefährdet und auf beiden Seiten lauern Kräfte, die das Abkommen ablehnen und bedrohen. So war in Israel die Freude über eine baldige Freilassung groß. Aber auch getrübt. Nicht alle Geiseln kommen sofort und zusammen frei. Nicht einmal alle Angehörigen wissen genau, wer wann ausgetauscht wird.
Ruth Strum weiß, dass ihr Sohn Yair in den nächsten sechs Wochen frei kommen soll. Sein Bruder Eytan aber steht nicht auf der Liste. „Es zerreißt mich und ich werde der Regierung keine Ruhe lassen, bis auch die letzte Geisel zurückkehrt.“
Ein nahezu identisches Abkommen lag bereits im Mai 2024 vor. Es scheiterte daran, dass der Premier auf eine Präsenz der israelischen Armee im Gazastreifen beharrte. Diesmal ist eine vollständige Räumung nach 42 Tagen kein Problem mehr. Fast acht Monate Krieg sind seit Mai vergangen. Mit Gefallenen Soldaten und Kämpfern, getöteten Geiseln und Zivilisten. Für die Hamas steht letztlich nur die Fortsetzung des Krieges mit der totalen Vernichtung Israels und absoluter Friedensverweigerung auf dem Programm.
Schwache PA
Doch auch die Politik Netanjahus basierte in den letzten Jahrzehnten auf weitgehender Realitätsverweigerung. Um die Anerkennung eines palästinensischen Staates zu vermeiden, ließ er die Stärkung der Hamas im Gazastreifen zu. Um die mit der Hamas verfeindete palästinensische Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland zu schwächen. Die PA ist jetzt tatsächlich zu schwach, am „Tag nach dem Krieg“ die Macht im Gazastreifen zu übernehmen.
Internationale Hilfe, vor allem der westlich orientierten arabischen Staaten, wird ausbleiben. Denn ein unabhängiger palästinensischer Staat zeichnet sich nicht einmal theoretisch am Horizont ab. Darum ist schon die erste Stufe des Abkommens mit Hindernissen übersät. Eine zweite Stufe ist noch nicht ausgehandelt.
Hamas erstarkt
Schon jetzt gelingt es der neuen Hamas-Führung mit neuen Bewaffneten ihre Reihen wieder zu stärken. Der Hunger und die Sorgen um ihre Familien treibt junge Männer in die Arme der Hamas. Doch die wirkliche Kraft der Hamas liegt in ihrem ungebrochenen Einfluss auf die Verwaltung des Streifens. Ihre Vertreter sitzen in den Rathäusern, den Sozialbehörden, in den Krankenhäusern und Schulen. Amtsträger, ohne die auch in den verbliebenen Ruinen Gazas nichts laufen kann. So …read more
Source:: Kurier.at – Politik