Die Regierung in Rom steht hinter dem Plan, nahe der Lagunenstadt ein Mini-AKW zu errichten. Wenig Freude haben Regionalpolitiker damit – sie fürchten um Touristen und das UNESCO-Weltkulturerbe.
Venedig ist immer für eine waghalsige Idee gut. Die Neueste hat mit einem Kernkraftwerk zu tun: Das Hafen- und Industriegebiet von Porto Marghera, gleich vor der pittoresken Lagunenstadt, würde sich dafür sehr gut eignen – mit diesem Vorschlag sorgte vor ein paar Tagen Renato Brunetta, Vorsitzender des Nationalen Wirtschafts- und Arbeitsrates, für Aufregung.
Die Regierung in Rom, vor allem der Minister für Umwelt und Energieversorgungssicherheit, Gilberto Pichetto Fratin sowie sein Kollege, Adolfo Urso, der für wirtschaftliche Entwicklung zuständig ist, zeigte sich für den Vorschlag offen. Der Umweltminister ist überzeugt: „Die Nukleartechnologie ist mittlerweile die sicherste Technologie in der ganzen Welt.“
Das sehen zwar nicht alle so, doch Urso stieß ins selbe Horn.
Er ist ebenfalls sicher, dass es sich bei solch einem Kraftwerk „um Mini-Reaktoren neuester Generation“ handelt. Selbst Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro äußerte Interesse.
Doch einerlei, wie sicher und klein das AKW werden könnte, Luca Zaia, Präsident der Region Veneto, ging sofort auf die Barrikaden. „Unsere Aufgabe ist es, Marghera zu einem Produktionsort erneuerbarer Energie zu machen“ entgegnete er.
Er erinnerte an die Verseuchungen, die vor allem die Plastik- und Kohlenstoffindustrie in der Vergangenheit verursacht hatten und deren Schäden noch immer nicht ganz behoben seien. Zudem wäre ein Kernkraftwerk vor den Toren Venedigs mit Sicherheit keine attraktive Werbung für die Lagunenstadt. Der bekannte Umweltaktivist Gianfranco Bettin witzelte deshalb, man solle Venedig in „die Welthauptstadt des Nuklear- und Umweltrisikos“ umtaufen.
Massentourismus
Der Zufall wollte, dass der Vorschlag ausgerechnet in jenen Tagen gemacht wurde, als sich in Venedig auch Vertreter des UNESCO-Weltkulturerbe-Komitees aufhielten. Sie sollten sich vor Ort ein Bild über den Zustand der Lagunenstadt machen, um besser entscheiden zu können, ob sie weiter in der Weltkulturerbe-Liste bleiben kann.
Denn Venedig hat mit massiven Problemen zu kämpfen: Der Massentourismus, der Wegzug der einheimischen Venezianer, der Klimawandel, das alles macht Venedigs Überleben zunehmend schwieriger. Auch die Bürgerinitiative Comitato NoGrandiNavi, die vor Jahren als Protest gegen die Kreuzfahrtschiffe in der Lagune ins Leben gerufen worden war, lehnt die Idee des Kernkraftwerks kategorisch ab.
Sie machte dem UNESCO-Komitee den Vorschlag: Venedig solle von der Liste der Weltkulturerben gestrichen und stattdessen in die Liste der gefährdeten Kulturstätten aufgenommen werden. Nur so seien die Politiker dazu gezwungen, sich endlich ernsthaft mit der Zukunft Venedigs zu befassen.
Italien hat derzeit kein Atomkraftwerk in Betrieb. 1987 – unter dem Eindruck der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl – hat die italienische Bevölkerung in einer Volksabstimmung klar Nein zur weiteren Nutzung der Atomkraft gesagt. Kurz darauf sind die Atomkraftwerke tatsächlich stillgelegt worden.
Source:: Kurier.at – Politik