Besuch von Kommissionschefin Von der Leyen in Ankara. EU versucht Kontaktaufnahme mit neuen Machthabern in Damaskus
Donald Trump formuliert die Dinge bekanntlich recht deutlich – und im Jargon des Geschäftsmanns. Das Ganze sei nichts anderes „als eine unfreundliche Übernahme“ gewesen, meinte der künftige US-Präsident gegenüber Reportern über die Rolle der Türkei beim Umsturz in Syrien. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sei eben ein „schlauer und ziemlich harter Typ“. Er habe das ganze „allzu große Verluste von Menschenleben“ geschafft: „Die Leute, die da reingingen werden von der Türkei kontrolliert“.
Ursula von der Leyen gibt sich da erwartungsgemäß viel diplomatischer. „Der Türkei kommt bei der Stabilisierung der Region eine wesentliche Rolle zu“, meinte die EU-Kommissionschefin. Doch auch die Entscheidungsträger in Brüssel haben den wichtigsten Spieler im neuen Machtkampf in Syrien erfasst. Also machte sich Von der Leyen schon am Dienstag nach Ankara auf – und das obwohl sie mit dem türkischen Staatschef und Besuchen in seiner Residenz sehr unangenehme Erfahrungen verbindet.
„Sofagate“-Nachwehen
Bei ihrem letzten Auftritt dort, gemeinsam mit dem damaligen EU-Ratspräsidenten Charles Michel, pflanzte sich der in den Sessel neben Erdogan, während sie wie die Damenbegleitung abgeschlagen auf dem Sofa landete.
Diesmal kam Von der Leyen allein und mit der Absicht, guten Wind zu machen. Sie sprach über die wachsenden Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und der Türkei und erinnerte an die vielen Milliarden, die in den vergangenen Jahren aus Brüssel nach Ankara geflossen waren: Zur Finanzierung der Hilfe für rund vier Millionen syrische Flüchtlinge, die Europa von sich fern halten wollte. Eine weitere Milliarde sei derzeit unterwegs.
Zugleich versucht die EU in aller Eile wieder eine diplomatische Brücke nach Syrien zu schlagen. Ein Spitzendiplomat aus Deutschland ist bereits in der syrischen Hauptstadt, um Kontakte zu den neuen Machthabern zu suchen. Die EU-Botschaft in Damaskus soll wieder aufgesperrt werden. Ähnliches planen die meisten EU-Staaten, darunter auch Österreich.
Unklar aber ist, wie rasch man dem Regime wie freundlich begegnen soll. Wann etwa soll man die gegen Syrien seit Jahren verhängten Sanktionen aufheben? Das würde den wirtschaftlichen Neustart des von mehr als einem Jahrzehnt Bürgerkrieg zerstörten Landes erleichtern. Welche Forderungen soll man an das Regime stellen? So fordern viele EU-Staaten, dass die Russen – mehr 6000 Soldaten sind derzeit noch in Syrien stationiert – sofort das Land verlassen müssten. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg gibt sich vorsichtiger. Man solle zwar mit klaren Erwartungen, aber nicht mit allzu vielen Bedingungen in diese Gespräche gehen. Sonst sei der Dialog gleich wieder zu Ende.
In Ankara jedenfalls hat man schon viel konkretere Pläne, um den neuen Einfluss rasch zu nutzen. Die Kurdengebiete in Syrien könnten sehr bald Ziel einer türkischen Militäroperation sein, berichten US-Medien. Auch soll ein seit Jahren auf Eis gelegter Plan wieder aktiviert werden: Eine Pipeline, die Erdgas aus Kasachstan über Syrien in die Türkei fließen lässt. Dann säße Erdogan an einem Gashebel für Europa.
Source:: Kurier.at – Politik