Stefan Lehne spricht in der ZiB2 über den Spielraum eines möglichen Kanzlers Kickl und die Rolle der Europäischen Union.
Noch wird zwischen Blau-Türkis verhandelt, am Freitag verlangte ÖVP-Chef Christian Stocker von der FPÖ eine Bewegung „vom rechten Rand in die Mitte“. Als Knackpunkte nannte er erneut ein klares Bekenntnis zur EU. „Entscheidend wird sein: Ist die FPÖ bereit zu einem klaren Bekenntnis zur EU, in der Österreich ein konstruktiver Partner bleibt, und ist sie bereit, unsere Souveränität gegenüber Einflüssen aus dem Ausland zu schützen“, so Stocker.
Die FPÖ wirft indes der Europäischen Volkspartei (EVP) Einmischung in die Regierungsbildung in Österreich vor. Bei einem EVP-Treffen war – der KURIER berichtete – am Wochenende Besorgnis über eine mögliche FPÖ-ÖVP-Regierung geäußert worden und es soll in Berlin demnach auch zu Überlegungen gekommen sein, wie man eine Regierung mit einem freiheitlichen Kanzler Herbert Kickl noch verhindern könne. Dies wurde allerdings von der ÖVP dementiert.
EU-Experte in der ZiB2
Das Thema EU sorgt also schon jetzt für genügend Diskussionsbedarf zwischen den beiden Verhandlungspartner. Am Freitag-Abend war dazu EU-Experte Stefan Lehne zu Gast in der ZIB2.
Laut Lehne sei der Bundeskanzler in Brüssel „ziemlich auf sich alleine gestellt“: „Er hat keine Beamten mit, er hat keinen Koalitionspartner dabei.“ Und viele Entscheidungssituationen im Europäischen Rat seien nicht vorhersehbar.
Dazu könne ein Kanzler Kickl auch gewisse Wünsche, die ihm das Parlament oder der Koalitionspartner mit auf den Weg geben, nicht einfach ignorieren: „Das kann er nicht ohne Weiteres. Im Grunde genommen sind die Beschlüsse des Hauptausschusses verbindlich.“ Lehne nennt dabei den Parlamentsbeschluss für das Mercosur-Abkommen (Ein Freihandelsabkommen mit Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay). „Ich glaube nicht, dass der Bundeskanzler ohne Weiteres im Europäischen Rat der Unterzeichnung des Mercosur-Vertrags zustimmen könnte. Aber er hat bei vielen Fragen, die dort diskutiert werden, mitzureden.“
Die Rolle von Van der Bellen
Dennoch gebe es für den Regierungschef mehrere Hebel, so Lehne: Das Koalitionsabkommen, die Koordination der innerstaatlichen österreichischen Position zu EU-Fragen sowie das Personal. „Wenn in den sensiblen Ressorts, die europapolitisch besonders heikel sind, Personen sitzen, die das europapolitische Bekenntnis des Koalitionsabkommens glaubhaft vertreten, dann ist man besser aufgestellt. Und da hat sicher auch der Bundespräsident einiges mitzureden.“
Die FPÖ war bekanntlich in diesem Jahrhundert bereits zweimal in einer Regierung mit der ÖVP vertreten, da aber immer als Juniorpartner. „Im Grunde genommen hat sie die Europapolitik ziemlich weitgehend der ÖVP überlassen“, weiß Lehne. Nun sehe die Situation aber anders aus. „Der erste Grund ist, dass Herbert Kickl die traditionelle EU-Skepsis der FPÖ verschärft und zugespitzt hat.“
REUTERS / Leonhard FoegerKickl und Orban
So sprachen die Blauen im Wahlkampf vom „EU-Wahnsinn“. Zudem sitze Kickl als Kanzler dann auch im Europäischen Rat, könne viel selbst bestimmen. Dazu komme die machtpolitische Konstellation im Europäischen Rat. „Vor zwei Jahren war Ungarns Premierminister Orban dort noch ziemlich allein. Er hat verzögert, er hat provoziert, aber letztlich hat er immer wieder nachgeben müssen.“
Nun gebe es das Bündnis mit dem slowakischem Premier Fico. Würde Kickl hier auch noch dazustoßen, „entsteht schon eine Situation, in der sich Europa schwerer tun wird, zu gewissen Fragen vernünftige Positionen zu entwickeln.“
Dennoch sieht Lehne …read more
Source:: Kurier.at – Politik