Es müsse „oberstes Ziel“ der EU-Politik sein, dass die Rückkehr syrischer Flüchtlinge wieder möglich werde, betont Außenminister Schallenberg. Aber ist das realistisch?
Mehr als eine Million Menschen sind laut Schätzungen seit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs, 2011, nach Europa geflohen. Die naheliegende Frage: Löst der Sturz des syrischen Diktators Bashar al-Assad die nächste Migrationswelle aus?
Tenor von Experten am Sonntag: Es sei viel zu früh, um das seriös zu bewerten. Man beobachte und beurteile die Situation laufend, heißt es aus dem Büro von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). „Derzeit ist noch alles im Fluss, es gilt abzuwarten, bis sich der Staub gelegt hat“, so auch das Außenministerium von Alexander Schallenberg (ÖVP), dessen Krisenstab bereits Sonntagfrüh getagt hat.
Es könnte theoretisch auch passieren, dass nun viele Syrer die Heimreise antreten. Was spricht dafür, was dagegen?
14 Millionen auf der Flucht
Seit 2011 sind mehr als 14 Millionen Syrer geflohen, rund die Hälfte innerhalb des Landes. Also in Gebiete, die beispielsweise schon bisher von der islamistischen Miliz HTS oder der kurdischen Selbstverwaltung kontrolliert wurden.
Und ins Ausland? Hier haben Syriens Nachbarstaaten die meisten Menschen aufgenommen. Laut UNHCR halten sich in der Türkei rund drei Millionen syrische Flüchtlinge auf, der Libanon oder Jordanien nahmen ebenfalls Hunderttausende auf.
Schallenberg: „Rückkehr Geflüchteter oberstes Ziel“
Dabei handelt es sich in erster Linie um Gegner des Assad-Regimes. Insofern stellt sich die Frage, ob diese Menschen nun in Scharen nach Syrien zurückkehren. Bereits im Oktober flüchteten Syrer aus dem Libanon zurück in ihr Heimatland – wegen der Angriffe der israelischen Armee auf Hisbollah-Stellungen im Libanon. Und auch am Sonntag drängten sich Syrer an den syrisch-türkischen und syrisch-libanesischen Grenzübergängen, um heimzukehren. Diesmal, weil Assad gestürzt wurde.
Ob daraus ein Trend wird, der auch Syrer in Europa zur Heimkehr bewegt, ist ungewiss. „Oberstes Ziel muss sein, dass die syrische Zivilbevölkerung wieder Perspektiven vor Ort hat und eine Rückkehr Geflüchteter möglich ist“, heißt es aus dem Außenministerium. Nun sei eine realistische und pragmatische Diskussion ohne Scheuklappen nötig. Die EU müsse ihre Politik gegenüber Syrien jedenfalls „neu bewerten“.
Was gegen eine Rückkehr spricht
Was gegen eine Rückkehr syrischer Flüchtlinge und eventuell sogar für neue Fluchtbewegungen ins Ausland spricht: Die Situation vor Ort könnte sich sogar noch verschlechtern. Die Rebellen-Gruppen gelten als zerstritten, Beobachter befürchten, dass der Staat in mehrere autonome Gebiete zerfallen und zu einem dauernden Unruheherd wie Libyen verkommen könnte.
Schallenberg bemühte sich zuletzt, gemeinsam mit weiteren EU-Staaten, die Beziehung zum Assad-Regime zu verbessern. Ziel: eine geordnete Rückführung von Syrern ermöglichen. „Wir müssen als Europäer endlich einsehen, dass es ohne Assad keine Lösung in Syrien geben wird“, hatte Schallenberg, der sich nun auf neue Gesprächspartner einstellen muss, noch im Juli betont.
Source:: Kurier.at – Politik