Ein Sturz von Premierminister Michel Barnier am Mittwochabend gilt als wahrscheinlich – dafür ausschlaggebend ist die Rechtsextreme Marine Le Pen.
Man hatte ihm bei seinem Amtsantritt vorhergesagt, dass die Arbeit an der Spitze einer Minderheitsregierung in Frankreich schwierig werden würde – und tatsächlich droht der Regierung des französischen Premierministers Michel Barnier nach nur drei Monaten das Ende durch einen Misstrauensantrag der Opposition.
Alles deutet darauf hin, dass ein ungewöhnliches Zweckbündnis aus den linken Parteien und dem rechtsextremen Rassemblement National (RN) Barnier heute Abend zu Fall bringen wird.
Der offizielle Grund
Auslöser des Misstrauensantrags war Barniers Versuch, den Finanzrahmen für die Sozialversicherung als Teil des Haushaltsgesetzes am Parlament vorbei durchzusetzen. Sein Entwurf sah umfassende Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen vor, um das hohe französische Defizit von rund sechs Prozent zu verringern und den Schuldenberg in Höhe von 3,2 Billionen Euro nicht noch weiter anwachsen zu lassen.
Bis zuletzt war Barnier mehreren Forderungen der Opposition entgegengekommen. Doch die RN-Fraktionsvorsitzende Marine Le Pen habe nach jedem Zugeständnis, das er machte, ein weiteres verlangt, sagte Barnier in einem Fernsehinterview am Dienstagabend.
Von „Erpressung“ wollte er trotz mehrmaligem Nachhaken der Moderatoren trotzdem nicht sprechen, wohl auch in der Hoffnung, Le Pen könnte in letzter Minute doch noch ihre Meinung ändern und sich dem Misstrauensantrag der Linken nicht anschließen – in dem Fall kämen nicht genügend Stimmen zusammen, um die Regierung zu stürzen. Stattdessen appellierte der 73-Jährige an den „Reflex des Verantwortungsgefühls“ aller Abgeordneten: Ihm gehe es nicht um sein eigenes politisches Schicksal, „nicht um die Goldverzierungen“ in seinem Amtssitz, sondern um Frankreich.
Ohne einen Sparhaushalt, der der Ausgabenexplosion Einhalt gebiete, werde alles „noch viel schwerer“, warnte er. Seine Tür stehe weiter offen für Diskussionen. Der Haushaltsentwurf, den er aufgrund der kurzen Zeit in Rekordtempo zusammenstellen musste, ließe sich verbessern. Doch Barniers politische Gegner sahen dafür keine Chance mehr.
Linke sind beleidigt
Das links-grüne Bündnis Neue Volksfront (Nouveau Front Populaire) hatte bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Sommer insgesamt die meisten Stimmen erzielt und dessen Verantwortliche sahen sich um ihren Wahlsieg betrogen, da Macron ihnen keine Regierungsverantwortung übertrug. Stattdessen wendete er sich den Konservativen zu, aus deren Reihen Barnier stammt. Der ehemalige EU-Kommissar und Brexit-Unterhändler wiederum suchte in erster Linie den Dialog mit der Rechtspopulistin Le Pen, um dem Sturz zu entgehen. Diese demonstriert nun bei der ersten Gelegenheit ihre Macht, indem sie den Daumen senkt.
Die Ablehnung des Budgetentwurfs ist dabei nur der offiziell genannte Grund. RN-Parteichef Jordan Bardella sprach am Mittwoch von einem „Rezessions-Haushalt“, der „gefährlich für das wirtschaftliche Wachstum und die Kaufkraft vor allem der Schwächsten“ sei. Tatsächlich gilt der Sturz des Präsidenten als das übergeordnete Ziel der Partei. Dieser werde „seine zweite Amtszeit ganz sicher nicht zu Ende bringen“, hatte Le Pen prophezeit. Macrons Mandat läuft regulär noch bis zum Frühjahr 2027.
Er selbst versuchte von Saudi-Arabien aus, wo er sich just bis Mittwoch auf einem Staatsbesuch befand, zu beschwichtigen. Er wolle nicht an einen erfolgreichen Misstrauensantrag glauben, sagte er: „Meine Priorität ist die Stabilität.“ Medienberichten zufolge war aber längst die Suche nach einem Ersatz für Barnier als Premierminister angelaufen. Mehrere Namen sind im Gespräch, …read more
Source:: Kurier.at – Politik