Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde sprechen von einem „enthemmten Antisemitismus“ seit der Hamas-Terrorattacken im Vorjahr.
Von derart massiven antisemitischen Übergriffen wie aktuell in Amsterdam, wo propalästinensische Jugendliche israelische Fußballfans gezielt attackiert haben, ist Österreich bis dato noch verschont geblieben. Insgesamt ist die Zahl an judenfeindlichen Vorfällen seit dem Hamas-Terrorangriff am 7. Oktober 2023 aber auch hierzulande stark angestiegen. Das bestätigen erst jüngst veröffentlichte Daten.
So gab es im ersten Halbjahr 2024 bei der Antisemitismus-Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) insgesamt einschlägige 808 Meldungen. Dies entspricht einer Zunahme um rund 160 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023, heißt es.
„Enthemmter Antisemitismus“
Die häufigste Erscheinungsform war der israelbezogene Antisemitismus. Benjamin Nägele, IKG-Generalsekretär und Leiter der Meldestelle, spricht von einem „enthemmten Antisemitismus“, dem Jüdinnen und Juden seit dem 7. Oktober 2023 ausgesetzt seien. So stieg die Zahl der gemeldeten physischen Übergriffe von sechs im ersten Halbjahr 2023 auf nun 16. Von vier auf 22 stieg die Zahl der Bedrohungen. 92 antisemitische Sachbeschädigungen bedeuten eine Verdoppelung im Vorjahresvergleich. Bei den Massenzuschriften stieg die Zahl von 77 auf 401 und bei verletzendem Verhalten von 179 auf 277.
255 der gemeldeten antisemitischen Vorfälle waren Personen oder Organisationen zuzurechnen, die „weltanschaulich oder religiös dem Islam zuzuordnen sind“. 225 waren politisch links motiviert und 116 politisch rechts. 212 antisemitische Vorfälle konnten nicht eindeutig kategorisiert werden. Nach den israelbezogenen Vorfällen wurde vor allem Shoah-Relativierung bzw. -Leugnung gemeldet. Vorfälle im Rahmen einer Demonstration oder in einem Online-Thread wurden zwar separat bearbeitet, aber statistisch als ein einzelner Vorfall gewertet.
Drohender Gewöhnungseffekt
IKG-Präsident Oskar Deutsch warnte vor einem Gewöhnungseffekt: „Leider ist die Lage weiterhin bedrohlich und ununterbrochen bedrückend. Was nicht geschehen darf, ist, dass man sich an den grassierenden Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen gewöhnt.“ Dazu gehöre auch, dass sich politisch motivierte Akteure nicht nur mit dem Hass der anderen beschäftigen, sondern im eigenen weltanschaulichen Lager aktiv werden und Verantwortung übernehmen.
Israelkritische Jugendliche
Eine weitere aktuelle Studie im Auftrag des Parlaments untersuchte die Einstellung der Jugendlichen zur Eskalation der Gewalt im Nahen Osten. Knapp 60 Prozent der 16- bis 27-Jährigen in Österreich bezeichnen demnach den Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 als „verabscheuungswürdigen Terrorakt“. Die Reaktion Israels darauf sieht aber nur ein Drittel als gerechtfertigt an. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von IFES und Demox Research im Auftrag des Parlaments.
Im Vergleich zu 2022 (49 Prozent) fanden heuer nur mehr 42 Prozent, dass man in Österreich aufgrund der Verfolgung der Juden während des Zweiten Weltkrieges eine besondere Verpflichtung habe, Juden und Jüdinnen beizustehen. Gestiegen ist auch die Zustimmung zu dem antisemitischen Narrativ, Juden hätten besonderen Einfluss auf Politik und internationale Medien (von 20 auf 28 Prozent).
Source:: Kurier.at – Politik