Jason Stanley: „Nennen wir faschistische Politik nicht rechtspopulistisch“

Politik
Der deutsche Bundesverfassungsschutz stuft den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke als gesichert rechtsextremistisch ein.

Der Yale-Professor Jason Stanley lehnt die seiner Meinung nach inflationäre Verwendung des Begriffs „Rechtspopulismus“ ab. Man müsse „faschistische Politik“ klar benennen, um sie zu bekämpfen.

In seinem Buch „Wie Faschismus funktioniert“ identifizierte der Yale-Professor Jason Stanley 2018 zehn Charakteristika faschistischer Politik. Sein Ziel: faschistische Praktiken aufzuzeigen, um sie bekämpfen zu können. Ist das gelungen? Oder beweget sich die Welt in eine anti-demokratische Richtung?

KURIER: Ihr Buch erschien vor den US-Wahlen 2020. Sie zeichnen darin ein düsteres Bild der Republikanischen Partei – wie blicken Sie heute, wieder vor Wahlen, auf die „Grand Old Party“?

Jason Stanley: Ich würde dabeibleiben, sogar betonen: Die Republikaner um Trump agieren heute viel effektiver und kommunizieren viel ehrlicher, dass sie die Demokratie auseinandernehmen wollen. Das ist öffentlich in ihrem „2025 Presidential Transition Project“ zu lesen. Sie sagen: „America is not a Democracy but a Republic“ – was eigentlich keinen Sinn ergibt. So aber argumentieren sie, warum es okay sei, demokratische Säulen abzubauen. Wir fürchten uns immer vor russischer Propaganda oder Putin – aber die brauchen wir nicht, wir schaffen es allein, unsere Demokratie zu zerstören.

Wie blicken Sie auf die Lage in Europa? Dort hegen rechtspopulistische und teils rechtsextreme Parteien ähnliche Interessen.

Wir müssen damit rechnen, dass diese Tendenzen in allen Demokratien auftauchen. Diese Bewegungen kommen durch demokratische Mittel an die Macht – durch Wahlen oder Meinungsfreiheit, als deren Opfer sie sich sehen. Aus diesem Grund hat schon Platon Kritik an der Demokratie geübt. Vor allem dort, wo es Nationalismus gibt, gibt es Tendenzen für Faschismus – in Ungarn, wo Orbán die Presse angreift, Gegner durch Steuern und Gesetze bestraft oder aus dem Land gewiesen werden. Putin ist klar ein Faschist – andere Meinungen werden mundtot gemacht, politische Gegner in Lager gesteckt.

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Kritiker werfen Ihnen vor, viel zu schnell den Faschismus-Begriff über rechtspopulistische Parteien zu stülpen. Es gibt doch einen Unterschied.

Ich habe ein Problem mit dem Begriff Rechtspopulismus: Denn Populismus ist nichts Schlechtes. Wer will nicht die Stimme des Volkes und gegen Elitarismus sein? Populisten sind ja nicht automatisch anti-demokratisch. Wir müssen eher aufhören, den Ausdruck Rechtspopulismus zu verwenden, weil wir damit Gefahr laufen, anti-demokratische, faschistische Tendenzen, die von Parteien ausgehen, nicht zu benennen.

Trump ist kein Populist, weil hinter ihm die Millionäre der Republikaner stehen und seinen Wahlkampf finanzieren. Björn Höcke (AfD-Chef Thüringen, Anm.) ist etwa klar ein Faschist.

APA/AFP/RONNY HARTMANN

Der deutsche Bundesverfassungsschutz stuft den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke als gesichert rechtsextremistisch ein.

Sie charakterisieren Faschismus durch das Prinzip Spaltung. Damit arbeiten aber so gut wie alle Parteien, je nach Ethnie, Klasse, Geschlecht. Gibt es „bessere“ und „schlechtere“ Spaltung?

Die Abgrenzung ist notwendig, um Interessen zu artikulieren. Man muss sich aber fragen: Was ist das Ziel einer Gesellschaft und wie ist es zu erreichen? Bei Arm gegen Reich geht es um Ungleichheit, die sich durch Umverteilung verändern lässt und einer großen Mehrheit zugutekäme. Die Spaltung zwischen Ethnien oder Religionen nutzt einer Gesellschaft aber wenig. Und ist ohne furchtbare Maßnahmen ergreifen zu müssen auch nicht überwindbar.

Erkennen Sie faschistische Tendenzen auch in linksgerichteten Parteien?

Historisch gab es natürlich verschiedene Formen des Kommunismus, wie den Stalinismus, die anti-demokratisch waren. …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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