Jerusalems Kardinal Pizzaballa: Wird er der nächste Papst?

Politik

Pierbattista Pizzaballa, der lateinische Patriarch von Jerusalem, zieht die Blicke auf sich. In jedem Raum oder Saal, selbst inmitten einer Prozession ist der hochgewachsene, schlanke Würdenträger nicht zu übersehen. Seinem hellen Blick scheint nichts zu entgehen.

Eine israelische TV-Moderatorin geriet fast in Schnappatmung, als er ihr mit gewinnendem Lächeln klarmachte, dass er schon mit 19 Jahren ins Kloster ging. Mit 25 kam er nach Jerusalem, wo der heute 60-Jährige seitdem lebt. Und doch: Ein eleganter Italiener – vom Scheitel bis zur Sohle.

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Der italienische Patriarch Pierbattista Pizzaballa lebt seit 35 Jahren in Jerusalem.

Gerade deshalb gilt der Jerusalemer Kardinal als „Papabile“. Seit fast fünzig Jahren schon gab es keinen Papst aus Italien im Vatikan. Pizzaballa wäre einer. Aus Jerusalem. Der neben Italienisch, Lateinisch, Französisch und Englisch auch noch fließend Arabisch und Hebräisch spricht.

Jüngster Patriarch seit 800 Jahren

Ein weltgewandter Italiener aus Nahost, seit Jahrzehnten auf einer unmöglichen Mission zwischen den Fronten. Die er aber bislang nicht ohne Erfolg ausfüllte. 

Seine Karriere in der kirchlichen Hierarchie legte er schnell hinter sich. Ohne eine der steilen Stufen zu überspringen: Vom Studenten der Bibelwissenschaften an der Hebräischen Universität zum Gelehrten an der Jerusalemer Hochschule für Bibelstudien des Franziskaner-Ordens bis zum Patriarchen im Kardinalsrang. 

Mit 35 Jahren wurde Pizzaballa Kustos des Heiligen Landes, Hüter der Heiligen Stätten. Er war damit der jüngste Kustos, seit es dieses Amt gibt – also seit achthundert Jahren. Wobei „das Heilige Land“ Israel, Palästina, Jordanien, Syrien, Ägypten, den Libanon, Zypern und Rhodos umfasst. 

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Kein Wunder also, dass er mit seinen Sprach- und Ortskenntnissen vom Vatikan in die „Kommission für das Judentum und Islam“ berufen wurde. 

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Pierbattista Pizzaballa.

Weniger bekannt ist, dass er auch als Seelsorger der „Katholim“ tätig war, der Hebräisch sprechenden Katholiken in Israel. Ihre Zahl wuchs in den letzten Jahrzehnten durch die Einwanderung aus Osteuropa stark an. 

Meistens sind es katholische Ehepartner jüdischer Einwanderer, ihre Kinder dienen häufig in der israelischen Armee. Mit den alteingesessenen palästinensischen Gemeinden haben sie nur wenig Kontakt. Soll heißen: Der Nahost-Konflikt überschattet auch die lokalen Christen.

Pizzaballa kennt die Sorgen und oft widersprüchlichen Gefühle beider Seiten. Im Gespräch unter vier Augen kann er direkt werden. Leidenschaftlich. Ohne Umschweife. In der Öffentlichkeit hingegen vertritt er die Kirche. Seine Stellungnahmen sind präzise. Jedoch unter Vermeidung aller politischen Fettnäpfchen.

Pizzaballa bot sich der Hamas als Geisel an

In ein solches trat er jedoch direkt nach dem Massaker-Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023. In altgewohnter diplomatischer Ausgewogenheit sprach er von einer „aus dem Gazastreifen kommenden Operation“. Bald darauf entschuldigte er sich: „Mir war das Ausmaß des Schreckens da noch nicht bekannt.“ Anschließend bot der Patriarch sich der Hamas selbst als Geisel an, anstelle der gefangenen Kinder: „Dazu stehe ich bereit. Mit absoluter Willigkeit meinerseits.“

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Pierbattista Pizzaballa (rechts).

Pizzaballa war der erste hochrangige internationale Amtsträger, der nach Kriegsausbruch in den Gazastreifen reisen durfte. Er beschrieb die verzweifelte Lage der Menschen und das horrende Ausmaß der Zerstörung. 

Im Gegensatz zum Papst vermied er dabei direkte Schuldzuweisungen. Was als Parteinahme ausgelegt werden kann, gefährdet schließlich das Leben der christlichen Minderheit. Ob im Gazastreifen oder in Syrien, wo er im Bürgerkrieg ebenfalls …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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