
Heute wird Christian Stocker offiziell zum ÖVP-Chef gewählt. Der Kanzler über sein Verhältnis zu Vorgänger Nehammer, seinen Glauben an Wirtschaftsprognosen und Karl-Heinz Grasser.
KURIER: Sie sind seit 83 Tagen an der Spitze der ÖVP, werden heute in Ihrer Heimatstadt offiziell gewählt. Erst hieß es, Sie seien eine Interimslösung, nun sagen nicht nur Parteigänger: „Stocker ist der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“ Fühlt es sich für Sie richtig an?
Christian Stocker: Es war eine große Umstellung für mich, aber es ist mir wirklich eine große Freude, diese Arbeit machen zu dürfen. Ich empfinde es als Ehre und Privileg. Noch bin ich aber nicht zur Gänze angekommen.
Als ÖVP-Chef oder als Bundeskanzler? Gibt es da einen Unterschied?
Als Parteiobmann trage ich Verantwortung für eine Gesinnungsgemeinschaft, als Kanzler für das ganze Land. Ich habe immer gesagt, ich will ein Bundeskanzler für alle sein – insofern ist es natürlich ein Unterschied.
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Kanzler Karl Nehammer und ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker im Sommer 2024
Wird das Votum heute am Bundesparteitag etwas dazu beitragen, sich an der Spitze der ÖVP angekommen zu fühlen?
Ich bin geschäftsführender Obmann und werde gewählter Parteiobmann sein, auch das macht einen Unterschied. Über ein hohes Votum werde ich mich freuen, aber das meines Vorgängers mit 100 Prozent werde ich nicht übertreffen können, ohne, dass wir ein Excel-Problem bekommen.
Sie spielen auf Andreas Babler an. Ihr Vorgänger Karl Nehammer hat unter anderem wegen Babler die Verhandlungen und die Politik verlassen. Sie sind nun Kanzler, der SPÖ-Chef Vizekanzler. Erschwert das Ihr Verhältnis zu Nehammer?
Wir haben ein ausgezeichnetes Verhältnis. Ich habe ihn gestern getroffen, wir werden uns heute in Wiener Neustadt sehen. Uns verbindet eine echte Freundschaft, die in der Zeit entstanden ist, als ich Generalsekretär war, und die hoffentlich auch die Zeit meiner Obmann- und Kanzlerschaft überdauern wird. Es war zum Zeitpunkt des Rücktritts von Karl Nehammer für niemanden absehbar, dass wir wieder zu dritt zusammenkommen und eine Regierung bilden werden. Vieles, was in den letzten Monaten passiert ist, war weder erwart- noch planbar.
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Christian Stocker und Herbert Kickl während gemeinsamer Regierungsverhandlungen
Haben Sie seit dem Verhandlungsaus mit Herbert Kickl gesprochen?
Wir hatten ein Vier-Augen-Gespräch bevor er den Regierungsbildungsauftrag beim Bundespräsidenten zurückgelegt hat. Seither gab es keinen Kontakt. Aber ich sage dazu: Wir haben im Parlament Materien, die einer Zweidrittelmehrheit bedürfen und die FPÖ ist eingeladen, sich wie jede Partei konstruktiv einzubringen.
Kurier / Wolfgang Wolak
Christian Stocker im KURIER-Interview mit Johanna Hager
Ihre Obmann- wie Kanzlerschaft ist von Problemen wie Krisen geprägt. Anfang der Woche wurde bekannt, dass Österreich nicht 6,4 Milliarden, sondern 12 Milliarden einsparen wird müssen. Dass die Meldung abends nach dem Budgetausschuss kam, ist wenig vertrauensbildend, denn die Zahlen werden der Regierung doch schon weit vorher bekannt gewesen sein?
Die Veränderung der Zahlen ergibt sich nicht, weil wir als Regierung mehr ausgegeben hätten, sondern weil sich die Prognosen aus dem Herbst nun anders darstellen. Das zeigt, dass es in so volatilen Zeiten auch für die Wissenschaft schwierig ist, treffsichere Prognosen anzustellen. Ich darf erinnern: Der Fiskalrat selbst hat noch zu Wochenbeginn auf seiner Homepage …read more
Source:: Kurier.at – Politik