Kardinal selbstkritisch: „Verabschiedet sich Österreich vom Christentum?“

Politik

Kardinal Christoph Schönborn tritt als Erzbischof von Wien ab und nutzte zum Abschluss seiner Ära seine Predigt, um sich mit dem stetigen Rückgang an Gläubigen auseinanderzusetzen.

Der Stephansdom gesteckt voll, Mitfeiernde auch in der Jesuiten- und der Dominikanerkirche, eine Live-Übertragung im ORF. Kardinal Christoph Schönborn nutzte die Predigt im Rahmen des Dankgottesdienstes zu seinem 30-jährigen Jubiläum als Erzbischof von Wien nicht für einen Rückblick, sondern für eine Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass viele Menschen sich von der katholischen Kirche abwenden. 

Der Erzbischof selbstkritisch: „Ich finde heute besonders schmerzlich den Kontrast zwischen dem freudigen Fest des Dankes, das wir feiern, und dem großen Abschied, den in unserem Land so viele Menschen meist stillschweigend von der Kirche vollziehen, allein im Jahr 2023 waren es 85.000. So frage ich mich: Wie sieht eine ehrliche Bilanz meiner drei Jahrzehnte des Dienstes aus? So schnell wie die katholische Kirche bei uns schrumpft, so schnell wächst die Zahl der Menschen ohne religiöses Bekenntnis sind.“ Wachsen würde etwa der Islam.

Die Fragen, die sich der Kardinal dazu in seiner Predigt stellt: „Wohin geht die Reise? Verabschiedet sich Österreich, ja ganz Europa, vom Christentum? Bleibt von ihm eine gewisse Folklore? Wird das Europa der Kathedralen, der Dome ein großes Freilichtmuseum für Touristen aller Welt? Immerhin ist der Stephansdom das meistbesuchte Monument in Österreich. Was bedeutet das?“

erzdiözese wienHerz für Flüchtlinge gehöre zur Menschlichkeit

Ein Rezept dafür, wie dieser Trend umgekehrt werden kann, konnte er dazu nicht liefern. Dafür nannte er einige „tiefere Quellen“ der Hoffnung, die eine Antwort darauf sein könnten. Er dankte Österreich interessanterweise für den Umgang mit den Flüchtlingen und den Religionsfrieden im Land. 

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„Ich bin als Kleinkind im Herbst 1945 als Flüchtling nach Österreich gekommen. Österreich ist meine Heimat geworden, für die ich dankbar bin.“ Ein Herz für Flüchtlinge gehöre einfach zur Menschlichkeit. „Sie kommen als Fremde und werden hier heimisch. Sie werden Österreicherinnen und Österreicher. Sie bringen ihre Sprachen, Kulturen und Religionen mit. Sie bereichern, nicht ohne Spannungen, unser Land und prägen seine Zukunft mit.“

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Als Zeichen der Hoffnung sieht Schönborn eine neue Studie der Theologischen Fakultät und des ORF – in diesem Zusammenhang dankte er dem Rundfunk für seine umfangreiche religiöse Berichterstattung -, die der Jugend ein neues, stärkeres religiöses Interesse bei der jungen Generation. Schönborn: „Ganz überraschend ist es nicht, wenn wir ernst nehmen, dass in jedem Menschenherzen die Suche nach Sinn und Erfüllung lebt.“

Der Kardinal stellte dazu am Ende seiner Predigt die Frage: „Warum bin ich nach 30 Jahren im Amt des Erzbischofs unverbesserlich hoffnungsvoll?“ Seine Antwort: Er würde erleben, dass das Wort Gottes lebendig ist. Und er zitierte aus der Bibel: „Vor ihm bleibt kein Geschöpf verborgen, sondern alles liegt nackt und bloß vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft schulden.“ Er schulde Gott Rechenschaft über seinen Dienst, aber: „Ich brauche Gott nicht zu fürchten.“

Abkehr vom Manuskript

Am Ende der seiner Predigt wich Kardinal Christoph Schönborn dann von seinem Manuskript ab, um den Mitfeiernden eine persönliche Botschaft mitzugeben: „Das gegenseitige Wohlwollen soll nie verloren gehen.“ Es gehen um den Umgang der Menschen miteinander. „Wenn es stimmt, dass …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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