
Am Dienstag schien es, als sei die ÖVP ihrem Ziel, eine Überwachungssoftware einzuführen, schon ganz nah: Die türkis-rot-pinke Regierung schickte einen Gesetzesentwurf in Begutachtung.
Tags darauf rief einer „Stopp“: Nikolaus Scherak, Neos-Abgeordneter, erklärte, es handle sich nur um einen „Entwurf“ von ÖVP und SPÖ – und verwendete obendrein den negativ besetzten Begriff „Trojaner“.
ÖVP-Innenminister Gerhard Karner ist im KURIER-Gespräch dennoch optimistisch – nein, entschlossen: „Es wird kommen.“
Er bedankt sich bei der SPÖ, in Person des zuständigen Staatssekretärs Jörg Leichtfried, und drückt dem dritten Koalitionspartner seinen „großen Respekt“ aus: „Speziell für die Neos war das kein einfacher Schritt.“ Dazu zitiert er Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, die in der ZiB2 sagte: „Es ist ein blinder Fleck, den die Behörden hier haben“, und ergänzt: „Es eint uns das Bewusstsein, diese zu schließen.“
„Nicht einfach“ war es für SPÖ und Neos, weil sie 2019 dafür gesorgt haben, dass der damals von Türkis-Blau beschlossene „Bundestrojaner“ (deshalb meidet die ÖVP diesen Begriff jetzt), vor dem Verfassungsgerichtshof gelandet ist und dort gekippt wurde, bevor er jemals in Kraft getreten ist.
Was ist am jetzigen Entwurf anders? Noch immer ist eine Software geplant, die heimlich am Handy von Tatverdächtigen eingespeist wird, um ihre Daten abzusaugen. Ein Trojaner eben.
„Dafür kämpfe ich“
Karner zählt auf: Es gehe um maximal 35 Fälle der terroristischen und verfassungsgefährdenden Aktivitäten, das Bundesverwaltungsgericht muss jeden Eingriff genehmigen, begleitet wird dieser von einem Rechtsschutzbeauftragten. „Das ist das Gegenteil von Massenüberwachung“, betont der Innenminister.
Datenschützern, die das immer noch behaupte, wirft er „Oberflächlichkeit“ vor – sie hätten sich mit dem Entwurf gar nicht beschäftigt. Die FPÖ, die kritisiert, es würden „rechtschaffene Bürger“ überwacht, sei laut Karner „von der angeblichen Sicherheitspartei zu Terroristenschützern geworden“.
Ein Knackpunkt für die Neos ist die Frage, welche Software verwendet werden soll. „Ansonsten wird es schwer überprüfbar sein, ob ein solcher Trojaner überhaupt verfassungskonform ist“, so Scherak.
Karner: „Wir brauchen jetzt den rechtlichen Rahmen für eine verfassungskonforme, international anerkannte Messenger-Überwachung. Dafür kämpfe ich. Das andere sind technische Details, die zu klären sind, wenn die Zeit gekommen ist.“
In Deutschland gibt es seit einigen Jahren die „Quellen-TKÜ“ (Telekommunikationsüberwachung), Details sind aber nicht offiziell bekannt. Das hat auch Sicherheitsgründe: Hacker könnten dieses Wissen verwenden, um zu „üben“, heißt es.
Kurz und der Pegasus-Macher
Auch in Österreich wird sich die Frage stellen: Welchem (privaten) IT-Unternehmen vertraut die Regierung genug, um sich ein so mächtiges Instrument bauen zu lassen bzw. es zu kaufen? Sebastian Kurz, Ex-ÖVP-Chef und Ex-Kanzler, beschäftigt sich mit seinem Start-up „Dream Security“ mit Cybersicherheit.
Sein Partner ist Shalev Hulio, ehemaliger Entwickler von Pegasus – einer mächtigen Spyware, die Verruf geriet, weil sie in autoritären Staaten genutzt wurde, um oppositionelle Politiker, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten auszuspähen. In Spanien wird derzeit gegen Hulio ermittelt.
Eine Zusammenarbeit mit Kurz und „Dream Security“ hält Karner auf KURIER-Nachfrage für „reine Spekulation und Stimmungsmache“, das sei „zum jetzigen Zeitpunkt unseriös“.
Nur so viel: Sobald die gesetzliche Basis steht, werde eine Ausschreibung geben. Die Software könne später „in Abstimmung in der Koalition“ per Verordnung aus dem Innenministerium festgelegt werden.
Source:: Kurier.at – Politik