„Keine ungarischen Verhältnisse“: ORF als Spielball der Politik

Politik

Eine Budgetfinanzierung könnte aufgeschoben, die Haushaltsabgabe aber kräftig reduziert werden. Am Küniglberg fürchtet man Massenkündigungen. Mit Gremien-Reform könnte die ORF-Führung wechseln.

Immer, wenn was los ist, hat der ORF Hochkonjunktur. Das Platzen der Dreierkoalition und nun die Gespräche zwischen FPÖ und ÖVP über eine Regierungsbildung bescheren der ORF-Information Top-Quoten. Wenn Sonntagabend Susanne Schnabl zur Premiere von „Das Gespräch“ (22.10, ORF 2) den neuen ÖVP-Obmann Christian Stocker empfängt, ist erneut mit großem Publikumsinteresse zu rechnen. Gut möglich, dass auch Kanzler-Aspirant Herbert Kickl dieses Podium noch für einen der seltenen Auftritte am Küniglberg nutzt. Mit dem ORF haben beide Parteien trotzdem wenig Freude. Aber während die FPÖ vom „Grundfunk“ träumt, will die ÖVP „keine ungarischen Verhältnisse“.

Schon die laufenden Budgetgespräche werden für den ORF entscheidend. Österreich muss einen sehr strikten Sparkurs fahren, will man sich ein EU-Defizit-Verfahren ersparen. Eine Budgetfinanzierung des ORF und die Abschaffung der Haushaltsabgabe, wie von der FPÖ propagiert, scheint da schwierig.

Gegenfinanzierung offen

Mit 686 Millionen Euro netto an Beitragseinnahmen plant der ORF heuer. FPÖ-Stiftungsrat Peter Westenthaler empfiehlt aber schon, „heuer keine Erlagscheine mehr auszuschicken“. Die Abschaffung des Beitrags sei schnell mit Initiativantrag zu erledigen.

Im Umfeld der Koalitionsverhandler verweist man auf die fehlende Gegenfinanzierung. „500 Millionen sind 10.000 Mitarbeiter im öffentlichen Dienst wie Polizisten, Lehrer etc.. Man kann sich aussuchen, was wichtiger ist.“

Spekuliert wird nun über einen Stufenplan für ein massives Abschmelzen des ORF-Beitrags bis 2028 – bis zu einer Höhe, die auch ein enges Bundesbudget finanzieren kann. Das Limit soll bei 250 Millionen liegen. Das hätte heftige Auswirkungen: Massenkündigungen im ORF und in der Produktionswirtschaft und eine drastische Reduktion des ORF-Angebots – übers kolportierte Aus für ORF III und FM4 hinaus. Generaldirektor Roland Weißmann warnt in der Krone: „Ein kleiner Markt wie Österreich wird ohne starken ORF ganz schnell zur Medienkolonie Deutschlands, Kaliforniens und Chinas. Ohne österreichisches Programm und ohne Wertschöpfung im Land.“

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Ein geschwächter ORF, so Weißmann, würde auch den österreichischen Medien- und Werbe-Standort schwächen und nur den internationalen Tech- und Medien-Konzernen nutzen. „Weniger ORF heißt weniger Österreich.“ Tatsächlich fürchten private Medien, dass ein zu schwacher ORF auch ihre Werbeeinnahmen in den Keller schickt. Sie wollen Beschränkungen bei Werbung, Angebot und blauer Seite „mit Maß und Ziel“.

Höchstgericht gefragt

Eine Rolle wird wieder der Verfassungsgerichtshof spielen. Mit zwei Erkenntnissen – ORF-Finanzierung (2022) und Gremien (2023) – hat er Pflöcke eingeschlagen: Es muss zwingend einen Öffentlich-Rechtlichen geben; dessen Aufgabe können nicht Private – wie es die FPÖ im Wahlprogramm anreißt – übernehmen. Und: Es gibt eine Finanzierungs- und Funktionsverantwortung des Bundes.

Für Hans Peter Lehofer, Senatspräsident am Verwaltungsgerichtshof, scheint darum „jede Wegnahme wesentliche Elemente des Kernauftrags mit der Gefahr der Verfassungswidrigkeit“ bedroht. Zudem sieht das Europäische Medienfreiheitsgesetz, das mit August volle Gültigkeit hat, strikte Vorgaben vor – vorerst, weil Ungarn eine Nichtigkeitsklage eingebracht hat. Oberösterreichs Landeshauptmann Stelzer (ÖVP) meint im profil: „Für uns ist klar, dass wir einen ORF als öffentlich-rechtliche Institution wollen.“

Laufen die Koalitionsgespräche flott und positiv, könnte es zu einem Kuriosum kommen: Ist bis 31. März keine ORF-Gremien-Reform im Parlament beschlossen, könnten FPÖ und ÖVP den Stiftungsrat zuvor nach verfassungswidrigen Vorgaben beschicken. Wobei …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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