Krise in Bosnien-Herzegowina: Wie geht es weiter, Herr Hoher Repräsentant?

Politik

Christian Schmidt, Internationaler Hoher Repräsentant in Sarajewo, über den Haftbefehl gegen Milorad Dodik und warum er keine Kriegsgefahr sieht.

Ein zündelnder Separatist, ein Haftbefehl, ein Politikverbot und ein überraschender Besuch im Kreml. Es sind wieder einmal turbulente, krisenhafte Zeiten in Bosnien-Herzegowina.

Den Frieden im Westbalkanstaat regelt das 1995 zwischen den Konfliktparteien des Bosnienkrieges (Bosnien-Herzegowina, Serbien, Kroatien) geschlossene Dayton-Abkommen. Dessen Umsetzung überwacht der Internationale Hohe Repräsentant, eingesetzt von der UNO. Seit 2021 übt das Amt der deutsche CSU-Politiker Christian Schmidt aus. 

KURIER: Milorad Dodik wurde kürzlich zu einer einjährigen Haftstrafe und sechs Jahren Politikverbot verurteilt – unter anderem, weil er Ihre Anweisungen nicht befolgt hat. Zurecht?

Christian Schmidt: Völlig zurecht. Die Anweisungen waren aber keine direkten von mir an ihn. Sondern ich habe in einer Ergänzung des Strafrechts festgehalten, dass Urteile des Verfassungsgerichts und Entscheidungen der Hohen Repräsentanten auch in der Republika Srpska gelten und sie dort veröffentlicht werden müssen. Dodik mag das Verfassungsgericht nicht und er mag mich nicht – aber das sind beides Kerninstitutionen des Dayton-Vertrages. 

Er hat meiner Ergänzung widersprochen. Wenn man genau weiß, dass man schneller fährt als die Geschwindigkeitsgrenze es erlaubt, muss man die Folgen tragen.

Dodik hat Sie jetzt zum Staatsfeind Nummer Eins erklärt. Er hat in der Republika Srpska Anhänger. Manche sind nun zornig. Vergrößert dieses Urteil die ohnehin hohen Spannungen, die Sie mit der Umsetzung des Dayton-Abkommens ja eigentlich lindern sollten, nicht?

Die Spannung ist nur für Dodik erhöht. Ja, er hat ein paar Unterstützer. Aber sehen wir eine große Volksbewegung in der Republika Srpska zu seiner Unterstützung? Nein. 

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REUTERS/Amel Emric

Milorad Dodik

Von den Bewohnern seiner Entität leben viele Verwandte in Wien, Graz, München, Frankfurt, Zürich. Deshalb erhält Dodik kaum Unterstützung für seinen Isolationismus. Er hat sich außerdem nicht mehr unter Kontrolle, hat den Leuten gesagt: „Wenn jemand für den Staat Bosnien und Herzegowina arbeitet, wird ihnen ihr Eigentum eingezogen.“ Wir sind doch nicht in Nordkorea! Die Menschen machen das nicht mit.

Dabei war Dodik gar nicht immer ein solcher Supernationalist. Er galt nach dem Krieg als Reformer. Vieles von dem, was er heute kritisiert – etwa die Schaffung gemeinsamer Institutionen – hat er früher mitgetragen. Im Laufe der Jahre ist etwas mit ihm passiert. 

Was, glauben Sie?

Ich vermute, es hat auch ein Stück weit mit uns als Internationaler Gemeinschaft zu tun. Nach Mitte der 2000er-Jahre war der Eindruck: Eigentlich alles gelaufen in Bosnien-Herzegowina, das entwickelt sich jetzt von selbst in Richtung EU. Man hatte das Land in den europäischen Hauptstädten nicht auf dem Schirm. Währenddessen hat eine ethnonationalistische Polit-Agenda an Zustimmung gewonnen und wir haben es übersehen, alle miteinander. 

Was bei Dodiks Veränderung sicher auch eine Rolle gespielt hat, ist sein Konglomerat an ökonomischen Verflechtungen. Mit seinen vielen, undurchsichtigen Unternehmen hat er diverse finanzielle Interessen entwickelt.

Die bosnische Staatsanwaltschaft hat einen Haftbefehl gegen Dodik ausgesprochen. Bisher hat ihn niemand festgenommen, er ist offenbar rund um die Uhr von hochbewaffneten Sicherheitskräften geschützt. Einen internationalen Haftbefehl hat Interpol abgelehnt – sehr zu Freude Dodiks. Er konnte jüngst sogar seine Freunde in Belgrad und Moskau besuchen. Wie geht es jetzt weiter? 

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Source:: Kurier.at – Politik

      

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