Am 29. Dezember bestimmen 3,5 Millionen Kroaten ihr neues Staatsoberhaupt. Die Politik ist geprägt von einer Männerfeindschaft – das überlagert auch die Wahl.
Eine Handvoll Teigbällchen, Fritule genannt, mit einem Tupfer Dubai-Schokolade drauf: Auf dem Zagreber Adventmarkt kostet die beliebte Süßspeise mehr als elf Euro. Die Warteschlange vor dem „Dubai“-Stand zeigt, es gibt nicht wenige, die sich diesen Luxus leisten wollen. Und: Jene Politiker, die am 29. Dezember Staatsoberhaupt werden möchten, regen weniger auf als die geschmalzenen Preise einiger Zagreber Adventstandler.
Verlässliche Partner
Das stabile politische Klima in Kroatien wird auch von österreichischen Unternehmern gelobt. In der alljährlichen Umfrage der Wirtschaftskammer stellt eine Mehrheit dem politischen System Kroatiens ein gutes Zeugnis aus.
Zwar musste der konservative Langzeit-Premier Andrej Plenković (HDZ) im Laufe seiner Regierungszeit unzählige Minister entlassen, die meisten aufgrund von Korruptionsvorwürfen. Zwar sorgt der regierende Staatspräsident Zoran Milanović (der sozialdemokratischen SDP nahe) mit ungeschliffenen Attacken immer wieder für kollektives Fremdschämen im Land. Dennoch wird Kroatien mittlerweile als ein verlässliches EU-Mitglied wahrgenommen.
Wer die strengen Blicke der Kroaten kennt, wenn sie sich in ihrer Familien-Ruhe zwischen Weihnachten und Neujahr gestört fühlen, wundert sich über den Wahltermin. Immerhin werden auch viele Auslandskroaten ihre Stimme beim Heimatbesuch abgeben können.
„Ungebildete Bauern“
Derzeit sieht es so aus, als ob Zoran Milanović im Amt bleiben könnte, ungeachtet seiner Pannen. Immer wieder sorgte er mit pro-Russischen Positionen für Irritation, im Frühling wollte er bei der Parlamentswahl gegen den amtierenden Premier antreten – das untersagte ihm das Höchstgericht. Die Richter nannte er daraufhin „ungebildete Bauern“, Premier Plenković warf ihm vor, „diktatorisch und pharaonenhaft“ zu regieren.
Ohnehin ist die politische Landschaft geprägt von der Feindschaft der beiden Männer. Milanovićs Opponent Dragan Primorac wird darum auch von der regierenden HDZ und ihrem rechtspopulistischen „Patriotischen Bewegung“ gestützt. Ob er ihn ablösen kann, ist fraglich. Eine ebenso spannende Frage ist, wie viel Prozent der Kroaten tatsächlich ihre Stimme abgeben werden. Beim letzten Urnengang vor fünf Jahren waren es gerade mal die Hälfte der Wahlberechtigten.
Wirtschaftlich ist das Land, das ein Fünftel seines Einkommens aus dem Sommertourismus lukriert, seit mehreren Monaten auf der Überholspur. Das macht sich auf den Bankkonten der Bürger bemerkbar. Laut Weltbank ist das Durchschnittseinkommen von 2023 auf 2024 um zwölf Prozent gestiegen, mehr als in Österreich. Das aktuelle Medianeinkommen im Großraum Zagreb wird mit 1.100 Euro netto angegeben.
Relativierend muss hinzugefügt werden: In den Genuss eines 13. und 14. Gehalts kommt in Kroatien kaum wer. Menschen, die ihr ganzes Leben gearbeitet haben, und heute eine Monatspension von 300 bis 500 Euro erhalten, sind nicht selten. Zuletzt gingen die kroatischen Postler auf die Straße, mit der Forderung, dass man zumindest 1.000 Euro verdienen möchte.
„Gute Stimmung“
Gerhard Schlattl nimmt dessen ungeachtet Aufbruchstimmung wahr. Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Zagreb sagt: „Die Stimmung ist gut. Wer erzählt, dass alle Talente das Land verlassen, kennt sich nicht aus.“ Der Beinahe-Nachbar positioniert sich in der EU erfolgreich als Verteilzentrum von Gütern, die mit dem Schiff ankommen. Davon profitieren österreichische Logistik-Betriebe. Die Verlängerung der Tourismus-Saison von Ostern bis Oktober hat Österreichern zusätzliche Stunden am Meer beschert, auch Zulieferbetriebe jubeln: Hotelketten haben Solar- und Wasseraufbereitungsanlagen gekauft.
Nur die …read more
Source:: Kurier.at – Politik