Maria Kalesnikova: Vier Jahre im Kerker des Lukaschenko-Regimes

Politik

Seit vier Jahren sitzt die Symbolfigur des politischen Widerstandes in Belarus hinter Gittern. Tatsiana Khomich kämpft um das Leben ihrer älteren Schwester

Vier Dinge durfte Maria Kalesnikova in ihre Strafzelle mitnehmen: Zahnbürste und Zahnpasta, einen Kamm, ein Stück Seife. Zehn Tage lang musste die 42-jährige Musikerin darin aushalten. In einer eineinhalb Meter breiten Zelle ohne Toilette, stattdessen mit einem Loch im Boden. Ohne Bett, nur mit einer Holzpritsche ohne Matratze oder Decke.

 „Es war so kalt, dass sich Maria nicht hinlegen konnte, sie musste ständig in Bewegung bleiben. 15.000 Schritte hat sie so jeden Tag gemacht“, schildert die Schwester der inhaftierten belarussischen politischen Gefangenen. Tatsiana Khomich kämpft verzweifelt um das Leben ihrer Schwester – und gegen das Vergessen jener 1.300 Belarussen, die wegen ihrer Hoffnung auf einen Machtwechsel in Minsk hinter Gittern sitzen.

Seit mittlerweile vier Jahren sitzt Maria Kalesnikova, eine Symbolfigur des Widerstandes gegen Diktator Alexanders Lukaschenko, in Haft. Wo genau, das kann ihre im Exil in Frankreich lebende Schwester nicht mit letzter Sicherheit sagen. Wahrscheinlich in der noch aus der Sowjetzeit stammenden Strafkolonie Nummer 4 in der Stadt Gomel. „Das ist ein sehr altes Gebäude, die Kanalisation ist kaputt, alles stinkt dort unerträglich“, schildert Tatsiana mit leiser Stimme. Sie hat ihre ältere Schwester nie besuchen dürfen, jeglicher Briefkontakt, jeder Anruf wurde vor eineinhalb Jahren verboten. 

Seit Februar 2023 gibt es kein direktes Lebenszeichen mehr von Maria Kalesnikova. Was ihre jüngere Schwester über die Ältere weiß, das hat sie von einer im Vormonat amnestierten politischen Gefangenen gehört. Die soll zumindest wiederum von einer anderen Gefangenen vernommen haben, dass sie Marias Stimme hinter einer Zellentür gehört habe.

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Rund 1.300 politische Gefangene sitzen in Europas letzter Diktatur hinter Gittern.  Im Verhältnis sind das pro Kopf zur Bevölkerung gerechnet mehr als in Russland. Sie werden grausamer, brutaler und härter behandelt als gewöhnliche Gefangene.

Besonders hart geht das Regime gegen die sieben prominentesten politischen Gefangenen vor, darunter Maria Kolesnikova, aber auch gegen den Mann von Swetlana Tichanowskaja sowie gegen Viktor Babariko – an dessen Stelle Maria, die Musikerin, wahlgekämpft hatte. „Von allen Sieben wissen wir nichts mehr“, sagt Tatsiana im KURIER-Gespräch. Klar sei nur: Sie alle befInden sich jeweils in Isolationshaft, für jedes kleinste Vergehen, werden sie in die gefürchtete Strafzelle gesteckt. „Und ein Vergehen kann schon sein, wenn man einen Knopf nicht richtig zugeknöpft hat. Oder den Wärtern nicht freundlich genug antwortet.“

Nur noch 45 Kilogramm

Einen Anwalt hat Maria Kalesnikova schon lange nicht mehr.  Allen Rechtsvertretern droht seit mittlerweile zwei Jahren ebenfalls Haft, sollten sie sich für die politischen Häftlinge einsetzen. Die dauernde Einsamkeit, das schlechte und wenige Essen, die Kälte – alles zusammen eine Art Folter, die Maria in Lebensgefahr bringt. Die früher kräftige, 175 Meter große Frau soll nur noch 45 Kilogramm wiegen. 

„Sie wollen sie psychisch brechen“, ist sich Tatsiana sicher. Brechen bis zu einem Punkt, wo Maria das Regime um Verzeihung bitte. „Unvorstellbar“, glaubt Tatsiana, „das wird nicht passieren.“

via REUTERS/Sergei Ilnitsky

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Source:: Kurier.at – Politik

      

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