Missbrauchsopfer Pelicot: „Ein Vergewaltiger kann auch in der Familie sein“

Politik
Gisèle Pelicot, flankiert von ihren Anwälten, verlässt den Gerichtssaal in Avignon, 23. Oktober 2024.

Beim aufsehenerregenden Prozess wegen Vergewaltigung gegen 51 Männer war erneut die Zivilklägerin Gisèle Pelicot am Wort – eine Frau, die sich nicht verstecken will.

aus Avignon Simone Weiler

Gisèle Pelicot hat etwas zu sagen. Nach Wochen, in denen sie morgens das Gerichtsgebäude in Avignon betrat und es abends verließ, um stundenlang die Anhörungen von Zeugen und Angeklagten zu verfolgen, kam an diesem Mittwoch erneut sie als Zivilklägerin und Opfer zu Wort.

Die 71-Jährige sprach über ihre Fassungslosigkeit angesichts der Taten ihres Ex-Mannes Dominique, mit dem sie mehr als 50 Jahre verheiratet war: „Ich versuche zu verstehen, wie dieser Monsieur, der für mich der perfekte Mann war, mich so hintergehen konnte.“ Mindestens neun Jahre lang lud Dominique Pelicot über eine spezielle Internetseite regelmäßig Männer in das Haus im südfranzösischen Örtchen Mazan ein, wo er und seine Frau die Pension verbrachten. Dort vergingen sie sich gemeinsam an ihr. Die Taten, die er filmte, kamen nur durch Zufall ans Licht. Nicht alle Männer konnte die Polizei ausfindig machen.

Insgesamt 51 Angeklagte stehen nun vor Gericht. „Ich habe um die 100 Vergewaltigungen erlitten und es war eine schwere Entscheidung, diese Videos öffentlich zeigen zu lassen“, erklärte Gisèle Pelicot ihren Entschluss. „Aber das ermöglicht, die Wahrheit zu erfahren.“

Täter sind „Normalos“ – und sehen sich als Opfer

Ein Vergewaltiger lauere nicht unbedingt spätabends auf einem verlassenen Parkplatz auf sein Opfer, so ihre Botschaft: „Er kann auch in der Familie, im Freundeskreis sein.“ Die Angeklagten gelten als „Normalos“ jeden Alters, aus verschiedenen Gesellschaftsschichten. Viele haben eine Familie und gingen einem geregelten Beruf nach, sind Informatiker oder Fernfahrer.

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35 der 51 Angeklagten weisen den Vorwurf der Vergewaltigung zurück. Sie bejahen zwar die Frage, ob sie die Tatsachen anerkennen – schließlich existieren Aufnahmen. Aber es habe sich nicht um die Absicht gehandelt, versichern viele. „Ich bin doch kein Vergewaltiger, das ist zu schwer für mich zu tragen“, sagte Husamettin D. Einige rechtfertigen sich, sie hätten das Einverständnis des Ehemannes gehabt. Sie hätten geglaubt, es handele sich um ein Sex-Spiel, die Frau werde gleich aufwachen – obwohl sie völlig leblos dalag oder laut schnarchte.

Fast alle sehen sich selbst als Opfer: Sie seien in die Falle eines Perversen gegangen, hätten Angst vor Dominique Pelicot gehabt. „Ich wollte ihn nicht frustrieren, also spielte ich den guten Schüler“, sagte der Pfleger Redouan E.

APA/AFP/CHRISTOPHE SIMON

Gisèle Pelicot, flankiert von ihren Anwälten, verlässt den Gerichtssaal in Avignon, 23. Oktober 2024.

Kein Verstecken des Opfers

Es besteht ein scharfer Kontrast zwischen den Angeklagten, die allerlei Ausflüchte suchen und sich meist hinter weiten Jacken, Kapuzen und Gesichtsmasken verstecken – und Gisèle Pelicot, die sich trotz der Erniedrigungen offen zeigt, klar und entschieden spricht. Ja, betont sie an diesem Mittwoch, es sei unerträglich gewesen, als einer der Angeklagten sagte, wäre er ein Vergewaltiger, hätte er sich doch eine junge, hübsche Frau ausgesucht, nicht eine 57-Jährige – tatsächlich war sie 68, als er sie vergewaltigte. Gegenüber dem Argument einer Verteidigerin, manche Männer seien nicht brutal, sondern zärtlich vorgegangen, sagt Gisèle Pelicot: „Wo ist der Unterschied? Sie haben mich beschmutzt.“

Sie bereue die Entscheidung, sich gegen eine Verhandlung hinter verschlossenen …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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