
Über Monate hinweg hat der im Parlament angesiedelte Nationalfonds der Republik nicht getagt. Österreichs zentrale Institution zur Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus war arbeitsunfähig, man könnte auch sagen: gelähmt.
Der Grund ist hinlänglich bekannt: Opferverbände und Interessenvertreter wie die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) wollten nicht akzeptieren, dass ausgerechnet Walter Rosenkranz die Führung der Einrichtung innehat. Als Nationalratspräsident ist der Freiheitliche kraft Gesetz Vorsitzender des Fonds. Die IKG und andere stoßen sich freilich massiv an Weltbild und Werthaltungen des Freiheitlichen. Exemplarisch sei erwähnt dafür, dass Rosenkranz als Mitglied einer schlagenden, deutschnationalen Burschenschaft illegale Nationalsozialisten als „Leistungsträger“ bezeichnet hat (mehr dazu siehe hier).
Nachdem bis auf die FPÖ alle Parlamentsparteien das entsprechende Gesetz dahingehend geändert haben, dass der Nationalratspräsident seine Funktion formal auch abgeben kann, hat Rosenkranz kürzlich seinen Stellvertreter, den Zweiten Nationalratspräsidenten Peter Haubner (ÖVP), schriftlich gebeten, Vorbereitung, Einladung und Leitung der Kuratoriumssitzungen sowie den Vorsitz des Komitees und die Abwicklung des Simon-Wiesenthal-Preises zu übernehmen.
Kurzum: Rosenkranz will sich operativ aus dem Nationalfonds zurückziehen. Und damit kann vor allem die IKG auch wieder an Kuratoriumssitzungen teilnehmen.
Nach derzeitigem Plan soll das Komitee des Nationalfonds am 19. Mai zusammentreten, um die Beschlüsse über Leistungen an NS-Überlebende sowie eine schnelle und fundierte Vorbereitung der eingelangten Projektanträge zu gewährleisten. Am 12. Juni soll dann eine Sitzung des Kuratoriums folgen, damit die Beschlüsse über zu genehmigende Projekte möglich sind.
Wie berichtet leistet der Nationalfonds ja nicht nur Entschädigungszahlungen an noch lebende Opfer des Nationalsozialismus. Ein wesentlicher Teil besteht in der Gedenk- und Projektarbeit mit dem Ziel, die Erinnerung an die Nazi-Gräuel wach zu halten und damit – auch – der Demokratie und deren Erhalt zu dienen.
Gedenken ohne Rosenkranz-Rede
Bei der offiziellen Gedenkveranstaltung des Parlaments am 5. Mai, bei der National- und Bundesrat im Saal der Bundesversammlung gemeinsam der Opfer des Nationalsozialismus gedenken, ist Walter Rosenkranz offiziell Mit-Einladender.
Die Eröffnung der Veranstaltung hat er aber auch hier an Peter Haubner abgegeben.
Wohl unter dem Eindruck der jüngeren Ereignisse im Nationalrat (am Donnerstag wurde eine Sitzung unterbrochen, weil er Freiheitlicher den belastenden Begriff der „Umvolkung“ verwendet hat, Anm.), will Haubner bei seiner Rede besonders auf Fragen der Sprache eingehen. „Unser Gedenken darf nicht stumm und rückwärtsgewandt sein“, sagt Haubner. „Es muss lebendig sein – und wachsam bleiben. Denn das Böse kommt nicht plötzlich. Es beginnt leise. Mit einem Satz wie: ,Das wird man ja wohl noch sagen dürfen‘.“ Diese „kleinen Verschiebungen von Grenzen“ könnte am Ende große Wirkungen haben.
Source:: Kurier.at – Politik